Die letzte Zeugin
willst.«
Er fühlte sich zwar nicht gerade männlich dabei, aber er musste sich eingestehen, dass sie bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen sie seit seiner Rückkehr nach Hause zusammen gewesen waren, mit ihm gemacht hatte, was sie wollte.
Nicht dass es ihm etwas ausgemacht hätte. Nur hinterher …
»Das ist eine nette Einladung, Sylbie, aber ich muss heute Abend arbeiten.«
»Dann komm anschließend vorbei.«
»Ich glaube nicht.«
»Du verletzt meine Gefühle.«
»Das möchte ich nicht.« Aber er wollte sich auch von ihr nicht mehr einfangen lassen. Die Highschool war schon lange vorbei. Sie hatte ihm damals das Herz gebrochen – und außerdem war sie mittlerweile schon zweimal geschieden.
»Wenn du unbedingt den harten Brocken spielen willst«, begann sie und glitt von der Schreibtischkante.
»Ich spiele nicht.« Wenn er nicht aufgestanden wäre, wäre sie direkt auf seinen Schoß geplumpst. »Hör mal, Sylbie.«
Da sein Schreibtisch der Tür gegenüberstand, bemerkte er, dass Abigail gerade eintrat. Er sah ihr an, dass ihr die Situation peinlich war.
»Ms Lowery«, sagte er, bevor sie sich zurückziehen konnte.
»Entschuldigung, dass ich Sie störe. Ich komme später noch einmal.«
»Nein, es ist alles in Ordnung. Wir sprechen uns nachher, Sylbie.«
»Ich kaufe die Flasche Wein«, murmelte sie und lächelte ihn an. Sie drehte sich um und legte den Kopf schief, als sie Abigail musterte.
»Sie sind die Frau, die draußen im ehemaligen Haus der Skeeters wohnt.«
»Ja.«
»Alle fragen sich, was Sie da draußen so ganz alleine machen.«
»Das ist aber nicht nötig.«
»Die Menschen sind neugierig. Das ist ganz natürlich. Ich bin Sylbie MacKenna.«
»Eine der Töpferinnen hier im Ort. Sie machen schöne Sachen. Ich habe eine von Ihren Schalen gekauft.« Abigail wandte sich wieder Brooks zu. »Ich kann später mit Ihnen sprechen, Chief Gleason.«
»Nein, Sie sind ja jetzt hier. Ms MacKenna wollte sowieso gerade gehen.«
»So offiziell. Früher war er nicht so.« Sie schenkte Abigail ein wissendes Lächeln. »Bis später dann, Brooks.«
»Sie ist sehr attraktiv«, meinte Abigail.
»Das war sie immer schon.«
»Es tut mir leid, dass ich Sie gestört habe. Die Frau, Ihr …«
»Dispatcher?«
»Ja. Sie meinte, ich solle einfach durchgehen.«
»Das ist in Ordnung. Setzen Sie sich doch.«
»Darf ich die Tür schließen?«
»Aber sicher.«
Nachdem sie sich auf einen Besucherstuhl gesetzt hatte, wurde es erst einmal still in seinem Büro.
»Geht Ihnen etwas durch den Kopf?«, fragte er schließlich.
»Ja. Mir ist klar geworden, dass ich unser … unser Gespräch heute Morgen falsch angefasst habe. Im Feinkostladen und als Sie zu meinem Haus gekommen sind. Ich war nicht vorbereitet.«
»Müssen Sie sich auf jede Unterhaltung vorbereiten?«
»Ich bin Gesellschaft nicht gewöhnt, deshalb führe ich nicht viele Gespräche, vor allem nicht mit Leuten, die ich nicht kenne. Im Laden war mir Ihr Interesse an meinen Einkäufen unangenehm.«
»Mein Interesse an Ihren Einkäufen war lediglich ein Vorwand, um mit Ihnen ins Gespräch zu kommen.«
»Ja.«
Alles an ihr war kühl und still, dachte er. Sie war das genaue Gegenteil von Sylbie, die Hitze ausstrahlte und immer in Bewegung zu sein schien.
»Wir sind eine Kleinstadt, Abigail. Ein kleiner Ferienort, voll mit Esoterikern, alten Hippies, Hippies der zweiten Generation und Künstlern. Wir sind freundlich.«
»Ich nicht. Es tut mir leid, wenn das unhöflich klingt, aber ich bin keine freundliche Person, und ich bin nur wegen der Ruhe und der Einsamkeit hierhergezogen. Als Sie so kurz nach unserer Begegnung im Feinkostladen zum Haus gekommen sind, hat mich das nervös und wütend gemacht. Ich habe meine Gründe, warum ich die Pistole trage, aber ich bin nicht verpflichtet, Ihnen diese Gründe mitzuteilen. Ich habe nichts Ungesetzliches getan.«
»Das ist gut zu wissen.«
»Ich mag mein Haus und das Land darum herum. Ich mag diesen Ort. Ich fühle mich hier wohl. Ich will nur in Ruhe gelassen werden.«
»Was Sylbie über die Neugier der Menschen gesagt hat, stimmt. Das ist ganz natürlich. Je geheimnisvoller man ist, desto mehr Gedanken machen sich die Leute.«
»Ich bin nicht geheimnisvoll.«
»Sie sind ein wandelndes Geheimnis.« Er kam um den Schreibtisch herum. Sie erstarrte sofort, und auch als er sich entspannt an den Schreibtisch lehnte, blieb sie wachsam.
Er hätte sie am liebsten gefragt, wer sie verletzt, vor wem sie Angst
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