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Die letzte Zeugin

Die letzte Zeugin

Titel: Die letzte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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war.
    Auf ihrem mit feinen Fältchen überzogenen Gesicht zeichnete sich Zorn ab. Sie ballte die Faust an der Hüfte ihrer verblichenen Levi’s.
    Alma gab sechzig Jahre zu, aber das hatte sie auch schon getan, bevor Brooks aus Little Rock weggegangen war. Das wahre Alter seiner Bürokraft wagte er nicht einmal zu schätzen.
    Alma wusste es wahrscheinlich selbst nicht mehr.
    »Ich bin mit ihr in den Pausenraum gegangen und habe auf sie eingeredet wie auf einen lahmen Gaul. Sie fing an zu weinen, deshalb dachte ich zuerst, ich hätte was erreicht. Aber sie sagte, sie liebe Tybal und er werde immer nur gemein, wenn er trinken würde. Und jetzt kommt der Hammer: Wenn sie nur endlich schwanger würde, dann käme alles in Ordnung.«
    »Ach, du lieber Himmel!«
    »Sie sagt, sie versucht das jetzt mit allen Mitteln zu erreichen. Wenn sie erst einmal ein Baby haben, wird Ty bestimmt friedlich werden.«
    »Ich will benachrichtigt werden, wenn ihr das nächste Mal gerufen werdet«, wiederholte Brooks. »Danke für den Versuch, Alma. Du kannst auf Streife gehen, Boyd. Ich habe Papierkram zu erledigen.«
    »Ja, da bin ich auch schon dran.«
    »Möchtest du Kaffee, Chief?«, fragte Alma.
    »Ja, gerne.«
    »Ich mache dir einen. Heute ist nicht viel zu tun. Ein ruhiger Tag.«
    »Hoffentlich bleibt es so.«
    Er ging in sein Büro, fuhr seinen Computer hoch und ergriff den uralten Slinky, der auf seinem Schreibtisch lag. Er trat ans Fenster und ließ ihn zwischen seinen Händen hin- und hergleiten. Er mochte das leise Klirren der metallenen Kettenglieder. Es beruhigte ihn wie eine alte Decke oder nackte Füße auf warmem Gras.
    Er sah sich selbst als gelassenen, ausgeglichenen Mann und wurde auch von anderen so gesehen. Manche würden ihn vielleicht ein wenig phlegmatisch finden. Deshalb überraschte es ihn, wie sehr der Zwischenfall mit Abigail Lowery ihn aus dem Gleichgewicht gebracht hatte.
    Der Hund zum Beispiel. Ein wunderschönes Exemplar, aber es hatte nicht den leisesten Zweifel gegeben, dass dieses wunderschöne Exemplar seine Zähne in ihn geschlagen hätte, wenn er auch nur eine falsche Bewegung gemacht hätte.
    Brooks machten ungeklärte Situationen eigentlich nichts aus, weil es ihm gefiel, sie zu klären und Antworten oder Lösungen zu finden. Er stellte gerne den Frieden wieder her. Aber er war wahrhaftig nicht gerne so sehr im Nachteil gegenüber einer bewaffneten Frau und ihrem mächtigen Wachhund.
    Kein Gesetz wurde gebrochen, dachte er. Nicht ein einziges. Und trotzdem.
    Manche Leute waren von Natur aus unfreundlich. Er würde das nie verstehen, aber er wusste, dass es so etwas gab. Bei dieser Frau steckte jedoch mehr dahinter. Wesentlich mehr.
    Sie war eine seltsame, interessante Mischung aus Angespanntheit und Selbstbewusstsein, geradeheraus und gleichzeitig verschlossen. Dem Akzent nach zu urteilen, kam sie aus dem Norden, dachte er. Wenn er es richtig einschätzte, und abgesehen von Alma, lag er meistens richtig, war sie noch keine dreißig.
    Sie war schlank und energiegeladen. Hübsch, obwohl sie ungeschminkt gewesen war. Ihre Kleidung war einfach. Gute Stiefel, ziemlich abgelaufen. Kein Schmuck, kein Nagellack, keine bunten Farben.
    Sieh mich nicht an – seiner Meinung nach sagte sie genau das. Bemerk mich nicht.
    »Was beschäftigt dich denn?« Alma betrat sein Büro und stellte seinen Kaffee auf den Schreibtisch. »Du hast deinen Slinky in der Hand«, fügte sie hinzu.
    »Ich denke nach.«
    »Hat es was mit der Frau zu tun, die das ehemalige Skeeter-Haus gekauft hat?«
    »Arbeitest du neuerdings auch als Hellseherin?«
    »Nein, das überlasse ich meiner Tochter.«
    »Wie geht es Caliope?« Almas Tochter las aus Tarotkarten, Handflächen und Auras – und gehörte zu den engsten Freundinnen seiner Mutter.
    »Sie hat gestern Abend auf einer Verlobungsparty gearbeitet und dort drei weitere Buchungen abgestaubt.«
    »Oh, gut.«
    »Sie hat ihr Auskommen. Ich habe gehört, du hast dich im Lebensmittelladen mit dieser Lowery unterhalten.«
    »Sie ist nicht gerade eine Plaudertasche.« Er setzte sich, ergriff seinen Kaffeebecher und legte die Stiefel auf den Schreibtisch. »Was weißt du über sie?«
    »Nicht viel, was mich zu Tode ärgert. Dean McQueen hat ihr das Anwesen verkauft, und er sagte, sie habe ihn per E-Mail kontaktiert. Sie hat das Angebot im Internet gesehen, hat ein paar Fragen gestellt und sich höflich bei ihm bedankt. Ein paar Tage später hat sie ihm, wieder per E-Mail, ein Angebot gemacht. Es

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