Die letzte Zeugin
Ihnen, dass Sie extra hierhergekommen sind. Was ich heute früh gesagt habe, gilt immer noch. Wenn Sie irgendetwas brauchen, rufen Sie mich an.«
»Das werde ich nicht tun, aber trotzdem danke für die Cola und die Unterhaltung.« Sie reichte ihm die Dose. »Auf Wiedersehen.«
Als sie gegangen war, studierte er die Dose. Was sagte es wohl über ihn aus, dass er ernsthaft darüber nachdachte, die Dose auf DNA und Fingerabdrücke untersuchen zu lassen?
Doch es kam ihm nicht richtig vor. Trotzdem ging er in den Pausenraum und goss den restlichen Inhalt der Dose ins Spülbecken. Wieder in seinem Büro steckte er die leere Dose in einen Beweisbeutel und verstaute ihn in der untersten Schublade.
Nur für den Fall.
Den ganzen Tag über fühlte Brooks sich ruhelos, was für ihn nicht normal war. Er brauchte Gesellschaft, und da er Sylbie gesagt hatte, er müsse arbeiten, statt ihre Einladung einfach abzulehnen, konnte er es auch nicht rechtfertigen, auf ein Bier, eine Partie Pool-Billard und ein bisschen Unterhaltung in McGrews Pub vorbeizuschauen.
Statt jedoch nach Hause zu fahren, fuhr er ans Ende der Shop Street, bog links ab und hielt hinter dem Prius seiner Mutter vor dem weitläufigen, nie ganz fertiggestellten Haus seiner Eltern.
An der Seite war ein Gerüst aufgebaut, und er konnte sich die Fortschritte ihres aktuellen Wandgemäldes ansehen. Sexy Feen mit fließenden Haaren und zarten Flügeln. An der Vorderseite ritten unter dem Dach braungebrannte, muskulöse Männer und Frauen auf Drachen mit fluoreszierenden Schuppen in Rubinrot, Smaragdgrün oder Saphirblau.
Es war wirklich ein beeindruckendes Werk, dachte er. Vielleicht ein bisschen merkwürdig für Haus und Heim, aber den Wohnsitz der Familie O’Hara-Gleason konnte niemand übersehen.
Er betrat die kirschrote Veranda und ging zur Tür, die von spitzohrigen Elfen umrahmt wurde.
Drinnen war Musik, Duft und Farbe. Die Einrichtung, dominiert von den Kunstwerken seiner Mutter, war bequem und komfortabel. Überall standen Blumen, die sein Vater mindestens zweimal in der Woche mitbrachte.
Tulpen, um den nahenden Frühling zu feiern, dachte Brooks. In Schalen, Vasen und Töpfen war nahezu jede Farbe des Regenbogens vertreten. Die schwarze Katze, die sein Vater Chuck nannte, lag zusammengerollt auf dem Sofa und öffnete kaum die Augen, als Brooks hereinkam.
»Du brauchst nicht aufzustehen«, sagte Brooks über dem lauten Gesang von Fergie, der das Haus erfüllte.
Vorbei am Arbeitszimmer seines Vaters, an der winzigen, vollgestopften Bibliothek ging er in die Küche. Es war der größte Raum im Haus. Moderne Geräte – die Kochinsel mit Indoor-Grill, das Weinkabinett mit Glastür – mischten sich mit dem Charme üppiger Kräutertöpfe und einem wuchernden Zitronenbäumchen voller Blüten. An den Fenstern hingen Kristalltropfen in verschiedenen Formen und fingen die Sonne ein. Noch mehr Sonnenstrahlen drangen durch das Dachfenster in der hohen Decke und tanzten über die Blumen, Weinreben und Früchte, die seine Mutter auf die hellgelben Wände gemalt hatte.
Es roch nach frischem Brot und dem, was sie gerade umrührte, während sie am Herd stand und laut den Text von Fergies Song mitsang. Sie konnte es mindestens genauso gut wie Fergie, dachte Brooks. Seiner Meinung nach konnte seine Mutter sowieso so gut wie alles.
Ihr braunes Haar mit den goldenen Strähnen hatte sie zu einem Zopf geflochten, der ihr über den Rücken hing. Von ihren Ohrläppchen baumelten Silberperlen, und mit bloßen Füßen klopfte sie den Takt zur Musik. Das Peace-Symbol an ihrem rechten Knöchel zeugte von ihrer Liebe zu den Sixties.
»Hallo, meine Schöne.«
Sie zuckte zusammen, dann drehte sie sich lachend um und schaute ihn aus ihren warmen braunen Augen an. »Hi, mein Süßer. Ich habe dich gar nicht hereinkommen hören.«
»Du kannst ja nicht alles hören. Wie oft muss ich euch Kindern eigentlich noch sagen, ihr sollt die Musik leiser stellen?«
»Sie hilft mir beim kreativen Prozess.« Aber sie ergriff doch die Fernbedienung und dämpfte Fergies Stimme. »Was gibt es bei dir?«
»So dies und das. Wo ist Dad?«
»Er hatte ein Elterngespräch. Eigentlich muss er jeden Moment nach Hause kommen. Bleibst du zum Abendessen?«
»Was gibt es denn?«
»Minestrone, Rosmarinbrot und Pflücksalat.«
»Ja, ich bleibe.« Er öffnete den Kühlschrank, holte ein Bier heraus und schwenkte es in ihre Richtung.
»Na, wenn du darauf bestehst.«
»Ja.« Er holte noch ein Bier heraus
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