Die letzte Zeugin
hatte. Aber wenn er das jetzt täte, würde er sie verlieren.
»Sie sind eine wirklich attraktive Frau, die alleine lebt – mit einem großen muskelbepackten Hund –, und zwar außerhalb der Stadt. Niemand weiß genau, wo Sie herkommen, warum Sie hierhergekommen sind, womit Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen. Und da wir hier im Süden sind, weiß niemand, wer Ihre Leute sind. Sie sind Yankee, deshalb gestehen die Leute Ihnen einen gewissen Spielraum zu. Wir mögen Exzentriker, sie passen gut in unseren Ort. Wenn die Leute Sie nur noch für exzentrisch halten, hören sie auf, sich zu wundern.«
»In gewisser Hinsicht bin ich sicher exzentrisch. Wenn das die Leute zufriedenstellen würde, kann ich es noch ein bisschen mehr betonen.«
Er grinste sie unwillkürlich an. »Sie sind wirklich anders. Wovon leben Sie, Abigail? Wenn es kein Geheimnis oder eine Sache von nationaler Sicherheit ist, müssten Sie es mir doch sagen können. Und das wäre ein ganz normales Gespräch.«
»Ich arbeite freiberuflich als Computer-Programmierer und Software-Designer. Ich entwickele auch Alarmanlagen und verbessere oder erneuere bestehende Anlagen, hauptsächlich für Firmen.«
»Interessant. Und es ist doch gar nicht schwer, darüber zu reden.«
»Meine Arbeit ist ein höchst sensibles Thema. Alles ist vertraulich.«
»Ich verstehe. Sie müssen ziemlich klug sein.«
»Ich bin sehr klug.«
»Wo haben Sie studiert?«
Sie starrte ihn an, kühl, ruhig und beherrscht. »Wenn Sie mir ständig Fragen stellen, kommt es mir nicht vor wie ein Gespräch, sondern eher wie ein Verhör.«
»Da haben Sie recht. Stellen Sie mir eine Frage.«
Sie runzelte die Stirn und blickte ihn an. »Mir fällt keine ein.«
»Wenn Sie so klug sind, können Sie sich ja wohl eine ausdenken.« Er richtete sich auf, trat an seinen kleinen Kühlschrank und holte zwei Dosen Cola heraus. Er reichte ihr eine und öffnete die andere. »Stimmt etwas nicht?«, fragte er, als sie die Dose in ihrer Hand anstarrte.
»Nein, nein. In Ordnung, eine Frage. Warum sind Sie zur Polizei gegangen?«
»Na sehen Sie mal, das ist doch eine gute Frage.« Er lehnte sich wieder an den Schreibtisch. Hinter seinem Rücken blickte sie aus dem Fenster auf die Hügel. »Ich löse gerne Probleme. Ich glaube an vieles. Ich glaube auch an vieles nicht, aber vor allem glaube ich, dass es Recht und Unrecht gibt. Es hat nicht jeder die gleiche Auffassung davon, und in gewisser Weise ist es subjektiv. Wenn man Polizist ist, ist es manchmal schwarz und weiß, aber manchmal muss man sich auch entscheiden, ob es Unrecht ist oder einfach nur etwas, was geregelt werden kann.«
»Ich finde, das klingt ziemlich verwirrend.«
»Eigentlich nicht. Es geht immer um Problemlösungen, und Probleme löst man nur, indem man seinen Kopf gebraucht. Und seinen Bauch.«
»Der Intellekt ist ein genauerer Maßstab als Emotionen. Intellekt hat mit Fakten zu tun. Emotionen sind variabel und unzuverlässig.«
»Und menschlich. Wozu sollen Gesetze gut sein, wenn sie nicht menschlich sind?«
Er stellte seine Cola-Dose ab, um ihre zu nehmen. Er öffnete sie für sie und reichte sie ihr wieder. »Brauchen Sie ein Glas?«
»Oh. Nein. Danke.« Sie trank einen kleinen Schluck. »Chief Gleason.«
»Brooks. Wollen Sie mich nicht fragen, wie ich zu dem Namen Brooks gekommen bin?«
»Ich vermute, es ist eine Familientradition.«
»Da vermuten Sie falsch. Und, sind Sie nicht neugierig?«
»Ich … Ja, ein bisschen.«
»Brooks Robinson.«
»Wie bitte?«
»Oh, das habe ich befürchtet. Baseball, Abigail. Brooks war einer der besten dritten Basemen, die jemals die heiße Ecke bewacht haben. Meine Mutter stammt aus Baltimore, wo er gespielt hat. Meine Mama ist ein absoluter Fan von Baseball. Selbst als sie gegen Ende der Siebzigerjahre hierhergekommen ist, schaute sie Baseball. Sie verehrte die Baltimore Orioles. Und als sie sah, wie Brooks nach dem Endspiel der World Series gegen die Cincinnati Reds zum wertvollsten Spieler gewählt wurde, da gelobte sie, wenn sie jemals einen Sohn haben sollte, würde sie ihn Brooks nennen.«
»Sie muss wirklich ein großer Baseball-Fan sein.«
»Oh ja, das ist sie. Woher kommt Abigail?«
»Das ist nur ein Name.«
»Mir gefällt Abigail. Es klingt so schön altmodisch.«
»Danke.« Sie erhob sich. »Ich muss gehen. Ich muss heute noch arbeiten. Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen heute früh unhöflich vorgekommen bin. Ich hoffe, ich habe alles geklärt.«
»Es war nett von
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