Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
mich verlassen? Dein Haus wartet auf dich, dein Garten wartet auf dich, all deine Tiere warten auf dich, wieso verlässt du uns in diesem Jammertal?
    Oh verwehe mich der nördliche Wind, oh falle auf mich der schmerzbringende Regen, oh, ich habe meine Augen müde gesehen am Glasfensterchen, er ist nirgendwo mein Väterchen, mein teures Väterchen. Niemand fragt mich nach meinem großen Leid.«
    Nadjeschda blieb am Bett sitzen und lauschte in ihrem Inneren dem russischen Totengesang, dem Gesang der Klageweiber aus ihrer Kindheit. Wann wirst du wiederkommen auf einem hellen Weg? Um das Bett hatten sie gesessen und dann um den Sarg, stundenlang, tagelang und immerzu gesungen und geweint und dazwischen brachte die Witwe zu essen und zu trinken. Unheimlich war das gewesen und doch schön, diese Klageweiber.
    Endlich stand Nadjeschda auf, räumte das Zimmer ordentlich. Cremte und salbte Herrn Schiwrin und zog ihm das letzte Hemd an.
    Dann legte sie das Laken über seinen Kopf und öffnete das Fenster. Vielleicht trugen ihn jetzt die Engel hinaus. Wer konnte das wissen? Es war so friedlich. So eigenartig und so wunderbar friedlich.
    Do swidanija, Jewgeni Schiwrin.

Wo, bitte, soll ich hingehen?  , fragte Frau Eisbrenner höflich. Sie trug ihr dunkelblaues Strickkostüm und die Bernsteinkette und tastete sich sehr aufrecht in kleinen, vorsichtigen Schritten aus der Tür heraus.
    Komme Sie ier, Frau Eisbrenner, rief Gianna, nahm sie am Arm und führte sie zum Speisesaal. Fühle Sie sich wohl, Frau Eisbrenner, geht gut an erste Tag??
    Oh ja, ja, das Zimmer ist sehr schön und ich muss mich noch ein wenig gewöhnen, aber es ist alles recht, alles recht.
    Gucke Sie, ier ist Speisesaal, gucke Sie, wir abe schon gedeckte für Sie, ier könne Sie sitze bei die Sotzbacher Mädchen, das iste ganz liebe Frau.
    Immer war jemand da gewesen, seit Klara gekommen war, irgendeine gute, weiße Schwester. Sie schauten nach ihr und am Abend wollte ihr eine helfen, sich auszuziehen. Sie holten sie zum Abendessen und sorgten sich darum, wie sie sich fühlte. Es war, als fiele Klara Eisbrenner eine schwere Last von den Schultern. Sie war bei den guten Schwestern. Es war, als hätte sie zu guter Letzt noch einmal eine gnädige Heimstatt gefunden. Sie war sehr, sehr dankbar.
    Komme Sie ier!, rief Gianna. Gucke Sie hier! Abe sie nette Leute am Tisch und kennte Sie am Morgen gucke, wo die Sonne aufgeht!
    So! Aha! Ja! Aha! Gut!
    Frau Eisbrenner trippelte also dem Sotzbacher Mädchen entgegen und setzte sich artig ihr gegenüber, und das Sotzbacher Mädchen strahlte sie an und hielt ihr das Händchen hin.
    Guten Abend! Mein Name ist Siefert! Wissen Sie, ich bin das älteste Sotzbacher Mädchen und ich bin hier geboren! Hier in diesem Haus. Und ich hab bei der Frankfurter Rundschau gearbeitet und ich habe fünf Kinderchen geboren!
    So! Aha! Ja so!, sagte Frau Eisbrenner. Mein Name ist Eisbrenner und ich bin hier noch neu. Ich hoffe, dass ich alles richtig mache.
    Bringe ich Essen. Trinke Sie Tee oder Kakao?, fragte Gianna.
    Oh oh!, rief Frau Eisbrenner. Was soll ich denn mal nehmen? Ich trinke, ja, ich weiß nicht recht. Soll ich Kakao trinken? Oder trinke ich lieber Tee? Was nehme ich denn mal?
    Bringe ich Kakao, sagte Gianna, schmeckete gut!
    Von der Seite kam Frau Dr. Kolchewski herbei, verbeugte sich leicht und fragte vornehm:
    Guten Abend, meine Damen, darf ich mich zu Ihnen setzen? Kolchewski ist mein Name, Frau Dr. Kolchewski.
    Aber bitte sehr, da freue ich mich aber, wenn Sie sich zu uns setzen!, rief das Sotzbacher Mädchen begeistert.
    Gianna brachte Tee und Kakao, geschnittenes Weißbrot, Wurst und Käse und Gurkenscheiben. Alarmiert schaute das Sotzbacher Mädchen auf das Brot, ob es vielleicht etwas zu beschweren gab, aber da sagte Frau Eisbrenner: Oh, sehen Sie mal, wie liebevoll gemacht! Und frisches, duftendes Weißbrot! Wie gut, dass man sich das alles nicht mehr selber machen muss, wie schön, dass sich hier alle um einen kümmern! Da muss man dankbar sein!
    Jaja!, rief das Sotzbacher Mädchen. Also, ich fühle mich hier auch sehr wohl. Ich bin freundlich zu jedermann und deshalb hat mich auch jeder gern.
    Man muss es nehmen, wie es kommt, sagte Frau Dr. Kolchewski. Denn wir können es ohnehin nicht ändern.
    Wie war noch mal Ihr Name?
    Eisbrenner, Klara Eisbrenner. Wir haben das Antiquitätengeschäft am Dom.
    Oh, rief Frau Dr. Kolchewski. Ich bin entzückt. Ich glaube, wir haben dort einmal eine edwardianische Kommode gekauft. Also,

Weitere Kostenlose Bücher