Die letzten Dinge - Roman
ich bin Frau Dr. Kolchewski, Doktorin der Astrophysik.
Das ist allemal interessant, sagte das Sotzbacher Mädchen und sprach immer vornehmer und vornehmer. Also ich war bei der Frankfurter Rundschau! Und ich hab noch mal Englisch gelernt, jawoll!
Oh, sagte Frau Dr. Kolchewski: How do you do?
Das Sotzbacher Mädchen lachte entzückt.
Ist recht! Hau ju du! Hau ju du! Ja ja!
Ja, nickte Frau Eisbrenner. Also das esse ich auch immer am liebsten.
Sie war sehr beglückt. Hier war immer jemand. So nette Damen. Und so gute Schwestern. Die Einsamkeit hatte ein Ende.
Und als sie später in ihr Zimmer ging und Nadjeschda hereinkam, ihr liebevoll aus den Kleidern und aus den Schuhen half, sie ins Bett steckte und zudeckte und fragte, ob sie noch einen Wunsch hätte, da fühlte sie sich so wohl, so wohl wie schon seit langem nicht mehr. Sie betete zu Gott, um sich noch einmal zu bedanken, dass er sie an diesen barmherzigen Ort geführt hatte, mit diesem hübschen Speisesaal und den netten Schwestern. Sie hatte es gut getroffen. Und sie lag so wohlig und so entspannt in ihren Kissen, dass sie alsbald einschlief und einem winzigen Virus erlaubte, sich in ihren Körper einzuschleichen und dort Platz zu nehmen.
Zwölf Kännchen Kaffee wackelten auf dem Tablett hin und her, als Lotta ihren Wagen zog, die Kännchen hatten keine Deckel und ihre Zuten waren angeschlagen, die Tassen rasselten dazu und acht bunte Schnabelbecher rutschten hin und her.
Wieso kommen die Leute nicht zum Frühstücken? Wieso bringt sie keiner?, fragte Lotta Kevin, der in einem lumpigen T-Shirt über den Gang rannte.
Notfall, murmelte Kevin nur. Die Neue.
Rosalinde schoss aus dem Zimmer der neuen Dame, Frau Eisbrenner, und rief um Hilfe. Lotta ließ die Kännchen stehen und eilte herbei. Frau Eisbrenner lag im Nachthemd bewusstlos auf dem Boden, eingetrocknetes Blut war an ihrem Kopf festgetrocknet, die Stirn glühte.
Halt, halt, nicht bewegen, Lotta, lauf auf Station und ruf den Notarzt, mein Akku ist leer, schnell! Sie ist gestürzt und hat offenbar Fieber, lieber Gott, mach schnell!
Lotta raste davon, riss in der Station den Hörer von der Gabel und rief die 112 an: Ja, hier Pflegeheim Abendrot, dritter Stock, ein Notfall!!
Schon wieder!, sagte die 112. Es kommt jemand!! Bleiben Sie bitte am Fahrstuhl stehen, dass die nicht suchen müssen.
Alles klar!, sagte Lotta.
Ihr war ganz schwindelig und ihre Füße liefen, so schnell sie konnten, aber im Kopf war alles ganz durcheinander. Rosalinde hatte Frau Eisbrenner warm zugedeckt, maß ihr den Puls und zählte lautlos mit.
Sie muss in der Nacht aufgestanden sein und hat wohl nicht gewusst, wo sie ist.
Ich soll am Fahrstuhl auf den Notarzt warten.
Ja, mach das.
Lotta stellte sich an die breiten Metalltüren und sah auf die roten Zeichen, die abwechselnd eine Vier, eine Zwei und eine Sechs anzeigten. Die Bewohner schlurften an ihr vorbei, sie sahen irgendwie seltsam aus. Die Münder so eingefallen. So verkrumpelt. Da drucksten und wackelten sie herum und sahen komisch aus. Kevin rannte an ihr vorbei, lief ins nächste Zimmer, kam wieder raus, lief ins nächste Zimmer, kam wieder raus.
Kevin, was ist denn los? Du fegst hier rum wie blöd!
Ich suche die Gebisse! Die Schlecker hat kein Gebiss, der Bellheim hat kein Gebiss, die Sturm hat kein Gebiss, überall fehlen welche!
Wieso fehlen denn Gebisse???
Hat irgendeiner geklaut!
Ach was! Ja – und wenn du die jetzt nicht findest, was essen die denn?
Ja – wees ich? Musste ihnen Brei geben, ich kann es ja nicht ändern! Ist ja wie verhext, wer klaut denn Gebisse?
Brei! Lotta hatte nur drei Schalen Brei und die wurden langsam kalt. Musste sie der Küche Bescheid sagen, dass die noch welchen brachten? Lotta trippelte nervös von einem Bein auf das andere, dann ging die Tür auf, zwei Sanis mit der Trage und ein knackiger Notarzt sprangen heraus und eilten Lotta sofort hinterher, als sie ihnen das Zimmer von Frau Eisbrenner zeigte.
Bei euch ist immer was los!, rief der Notarzt.
Kann man wohl sagen!, antwortete Lotta. Hier ist es, sehen Sie, da liegt sie!
Der Notarzt beugte sich über die benommene Frau Eisbrenner, tastete sie vorsichtig ab, leuchtete ihr in die Augen und hängte sofort eine Kochsalzlösung an.
Mitnehmen, sagte er.
Frau Eisbrenner wurde vorsichtig auf die Trage gelegt, die Sanis verloren keine Sekunde, Rosalinde steckte ihnen noch das Kärtchen zu und eine Tasche mit den notwendigsten Sachen. Und so schnell wie Frau
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