Die letzten Dinge - Roman
des Geschehens sehr gut gefallen hatte; er verstand nicht, warum ihn Jeff von einer Sekunde zur anderen so anwiderte.
Ivy war schlecht und er trank ein Alka Selzer. Legte sich auf seine zerknüllte Bettdecke und musste unwillkürlich an den verpappten Schlafsack denken, mit dem sie sich in der Frittenküche zugedeckt hatten.
Oh, mein Gott, sagte sich Ivy. The day after.
Der Morgen danach war Mist, der Mittag danach war Mist und der Abend war auch Mist. Sollte er sich seine Uhr holen? Aber gewiss nicht beim Eckenseppel. Er konnte Jeff fragen, ob der die Uhr mitgebracht hatte. Ivy stöhnte und fluchte und dann rappelte er sich auf. Duschte nochmal eiskalt und machte sich auf in die Nacht. Es war elf Uhr abends. Seine Zeit.
Jeff stand da wie immer. An der Wand gelehnt, ein Bein hochgestellt, die Arme überkreuz. Als er Ivy aus den Augenwinkeln gewahrte, sah er schnell weg. Aber Ivy wollte seine Uhr wiederhaben.
Hi, sagte er.
Hi, sagte Jeff und sah unter sich. – Alles gut überstanden?
Ging so, hab verpennt. Hab Ärger auf der Arbeit, na ja. Sag mal, hast du meine Uhr gesehen?
Was für eine Uhr?
Na, meine gute Nightwatch. Die ist mir echt heilig, ich glaube, ich habe sie da in dieser Küche abgemacht oder so.
Da ging auf einmal die Tür auf. Die Tür zur Treppe, die hinunterführte in die Kellerdisco. Von oben schien ein Lichtstrahl auf Ivy, dann wurde der Lichtstrahl von einer schwarzen Silhouette wie mit der Schere ausgeschnitten. Ivys Herz klopfte bis zum Hals.
Diese Schultern, Ivy kannte sie ganz genau. Dieser Hals, der so schön gestreckt war, das hoch erhobene Haupt. Wenn er sich drehte: eben jener Hinterkopf wie ein früherer Kinderstar, wie … Heintje. Ja, er sah Heint-je ähnlich. Ansonsten: ein Mann, leicht feminin, aber doch mit wundervoll geformten Muskeln, einem kräftigen Brustkorb und einer Haut wie aus der Kakaobutterreklame, Haut. Was für ein Kerl! Stellte sich ihm in den Weg wie eine gottverdammte Erscheinung. Fredderik, Fredderik, Fredderik!
Auch das noch. Jetzt, wo Ivy versifft und verkatert war, jetzt, wo er Schatten unter den Augen hatte und dieses bescheuerte T-Shirt mit den Blumen drauf trug, jetzt, jetzt musste er ihn wiedersehen, nach all der Zeit.
Jetzt komm, fall nicht gleich in Ohnmacht. Es ist nur dein verflossener Volldepp mit Parfüm, sagte Jeff.
Ich … ich fall nicht in Ohmacht, flüsterte Ivy und starrte angestrengt die näher kommende Heiligengestalt an.
Mysterium Tremendum, heißt das, sagte Jeff. Er hatte einmal ein Semester Ethnologie studiert. Wenn der Eingeborene die Gottheit sieht, fällt er immer ins Mysterium Tremendum.
Fredderik klapperte die Treppen herunter.
Nee, sagte er leise und aufrichtig fasziniert. Ivy …!
Hm …, nickte Ivy.
Nee, dass ich dich noch mal sehe …?
Ich habe Telefon, dachte Ivy. Aber er konnte nichts sagen.
Ach Ivy, schrie Jeff auf einmal und hangelte den Arm um Ivys Schultern. Ich habe noch deine Armbanduhr! Du hast sie heute Nacht bei mir vergessen, weißt du, nachdem wir beim Eckenseppel in der Küche auf dem Frittentisch …
Schon gut, Jeff!!, zischte Ivy.
Ach was … Fredderik kratzte sich an der gezupften Augenbraue und schob das Käppi höher. – Du bist mit Jeff …?
Irritiert blickte er von einem zum anderen. Wenigstens sah Jeff ausgezeichnet aus, das war ein Vorteil. Er hatte mehr Muskeln als Fredderik. Ivy spürte einen seltsamen Saft in seinem Magen zusammenlaufen und er wusste nicht, war es süßer Sirup oder saure Galle? Etwas schmeckte bitter, er spürte es jetzt am Gaumen, dann spürte er es auf der Zunge. Etwas hob sich.
Ach Fredderik, du warst doch einfach … verschwunden.
Ich bin doch nicht verschwunden, Ivy!
Fredderik schien ehrlich besorgt und sein Heintjeschädel neigte sich zur Seite. Ich bin nicht verschwunden! Ich hatte nur … zu tun! Lass das mal … zwei, drei Wochen gewesen sein! Und da wirst du mir schon untreu?
Ich fass es nicht, sagte Jeff. Hör dir die Schlampe an. Sie lügt!
Fredderik sah Jeff scharf an.
Halt du dich raus!! Was weißt du denn schon?
Mann, Freddy, alter Sack! Ich bin hier Türsteher! Was glaubst du, soll ich hier gesehen haben, jeden Abend, wenn der Vorhang aufgeht! Was glaubst du, ist mir dabei entgangen? Hm? Du bist eine Hure, Fredderik, und du treibst es mit jedem! Mit jedem!
Ivy nickte bitter.
So habe ich mir das gedacht.
Nee, hör mal, so ist das auch wieder nicht, sagte Fredderik. Ich gebe zu, ich habe schon mal geflirtet, aber Ivy, das, was zwischen uns
Weitere Kostenlose Bücher