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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Moment, einen Moment für sich und die Tote haben. Immerhin hatte sie Frau Wissmar acht Jahre bei sich gehabt, sie war ihr anvertraut gewesen, bis zur letzten Stunde. Ein Moment des Abschiednehmens, ein Moment für sich und Frau Wissmar alleine.
    Lotta räumte verschämt den Jesus weg, den Saft und die abgebrannten Duftkerzen, nahm alles im Jutebeutel mit und warf noch einen Blick auf Frau Wissmar. Die bleiche Dame im Spitzenhemd, jetzt war es endgültig, da lag sie, so wie sie gestern gelegen hatte und vorgestern, wie in jeder Nacht, als habe sie seit Jahren auf diesen Augenblick gewartet. Wächsern, da lag sie für die Ewigkeit.
    Gut, dann gehe ich mal.
    Es war sechs Uhr. Rosalinde blieben zehn Minuten für den stillen Abschied. Zehn Minuten, um ihr noch einmal Lebewohl zu sagen, um sich zu bedanken für die Zeit, die sie gemeinsam hatten. Es war eine gute Zeit gewesen, denn Frau Wissmar war so angenehm, so freundlich und liebenswürdig gewesen. Das Wesen fehlte jetzt, das angenehme, freundliche Wesen, und zurück blieb nur der Geruch einer Feierlichkeit. Die leicht abgestandene Ausströmung von letztem Frieden. Rosalinde seufzte. Wer weiß, wer nun dieses Zimmer beziehen würde? Ein Querkopf, ein Misanthrop, ein selbstgefälliger Bursche oder ein giftiger Zwerg, der sie alle herumkommandierte und mit Tellern bewarf, sie wusste es nicht. Es war schade um Frau Wissmar, sehr schade.
    Rosalinde liefen die Tränen. Sie weinte um jeden, der davonging. Jedenfalls, wenn er so lange da war wie die elegante, liebenswürdige Charlotte Wissmar, die Personalchefin der Degussa.

Die Nachtschwester   saß im Stationszimmer und heulte ebenfalls.
    Jetzt ist die auch noch gestorben und ich habe nichts mitgekriegt. Ehrlich gesagt … ehrlich gesagt habe ich mich gar nicht getraut reinzugehen. Denn ich hab gedacht: Wenn ich jetzt noch einen rufen muss, den Notarzt und so, dann weiß ich gar nicht mehr, wie ich … ich weiß nicht, wie ich das alles …
    Ehrlich. Ich mache das nicht mehr lange. Jede Nacht Theater und dann auch noch diese Sauerei mit den Windeln. Ey – es tut mir echt leid, die Betten sehen aus, ich habe sieben Betten frisch bezogen, aber der Rest sieht aus … hey, wenn heute Abend keine Windeln da sind, dann kündige ich.
    Ich mach ’n Bruch bei Schlecker, sagte Ivy.
    - Mach das, sagte die Nachtschwester, putzte sich noch mal die Nase, zog die Strickjacke an und packte ihre Tasche. Ich geh dann mal.
    Jou, mach’s gut, erhol dich gut!
    Schönen Tag noch! Tschüss.
    Tschüss.
    Schade um Frau Wissmar, sagte Kevin.
    Echt schade, sagte Ivy, die war gut, die Wissmar, die war echt gut.
    Ja, die war gut. Hoffentlich hat sie viele Akten im Himmel.
    Akten und Personal und eine Schreibmaschine.
    Ja, dann geht’s ihr gut.
    Dann ist sie im Paradies.
    Ja, das stimmt.
    Ja ja.

Es war in Königswinter   – nicht davor und nicht dahinter! Es war gleich mitten drin – als ich damals auf dich reingefallen bin!
    Herr Wickert sang und stapfte mit hochgekrempelten Beinen über den Flur und suchte jemanden, der ihm das faulige Fleisch von den Schienbeinen kratzte.
    Hallo? Wo ist die Rosalinde? Wer macht mir denn mal die Beine?
    Ein pestilenzartiger Geruch ging von ihm aus, die losen rosa Binden hingen über die dicken, blauen Hausschuhe mit dem Klettverschluss und schleiften hinter ihm her.
    Darf ich mal auf die Toilette gehen?, fragte Frau Eulert und lief im Nachthemd suchend über den Flur. Der Notarzt mit einem Sanitäter kamen ihr entgegen und sie suchten das Zimmer von Frau Wissmar, um deren Tod festzustellen. Rosalinde stand im Medikamentenraum und versuchte, sich auf die Medizin zu konzentrieren, sie zählte, zählte und zählte. Verzählte sich, kippte die Tropfen wieder weg, zählte von vorne. Spritzen. Sie musste unbedingt Frau Sturm spritzen. Und Windeln, sie musste zur Pflegedienstleitung, so ging es nicht weiter. Und sie musste den Arzt begleiten. Sie wusste nicht, wo sie anfangen sollte. – Es war in Königswinter – hörte sie Herrn Wickert trompeten. Wenn nur noch eine examinierte Kraft da gewesen wäre, eine examinierte Kraft. Ihr wurde schwindelig. Nur jetzt nicht nachlassen, nur nicht die Nerven verlieren. Wenn sie die Nerven verlor, dann war alles aus. Dann war hier Land unter.
    Hallo, hier kommt Ivy! Der strahlende Held! Ivy, der strahlende Held der Station – guck mal, was ich hier habe!
    Seine Stimme war ein weiterer Angriff auf ihre Nerven, sie hätte ihn am liebsten sofort rausgeschmissen, aber Ivy war

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