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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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ihre Reaktion überraschte, bewies erneut, dass er ihre Denkweise noch nicht begriffen hatte. Sosehr Kleist auch den Gedanken an Märtyrertum und Selbstopferung hasste, war er doch dazu erzogen worden, beides als Kernbestandteil eines würdigen Menschseins zu betrachten, und dies hatte bei ihm Spuren im Hinblick auf seine Einstellung zum Krieg hinterlassen. Tatsache war nun, dass die Klephts nicht bereit waren, für die Idee der Freiheit oder der Ehre zu sterben– eine Vorstellung, die sie nicht lächerlich, sondern schlicht unverständlich fanden–, denn was nützten schon Freiheit oder Ehre, wenn man tot war? Andererseits waren sie jedoch, wenn es um das Leben ihrer Familien ging, auf ihre zurückhaltende Art dazu bereit. Das Wort für Held war in der altertümlichen Sprache der Klephts gleichbedeutend mit Spaßmacher oder Witzbold– trotzdem waren sie der Idee nicht völlig abgeneigt, im äußersten Notfall eine Form von zögerlichem Mut an den Tag zu legen, ein Wagemut, den sie »Unverschämtheit« nannten. Und da sie inzwischen davon überzeugt waren, dass Kleist sie nicht für absolute Narren hielt– die Klephts litten zwanghaft darunter, dass man sie hinters Licht führen wolle–, rafften sie tatsächlich ihren Mut zusammen.
    Ihre Verwandlung beeindruckte Kleist, obwohl er nicht so recht sehen konnte, welchen praktischen Wert sie haben würde. Zwar schienen die Klephts nun zum Äußersten entschlossen, aber sie besaßen nun einmal keine großen kriegerischen Fähigkeiten, während die Erlösermönche nichts anderes als solche Fähigkeiten besaßen. Und so kam es, dass die Klephts große Felsbrocken von den Vorsprüngen in den Bergen auf die unten durchziehenden Kriegermönche stießen, sie mit ihrer nicht gerade großartigen Treffsicherheit mit Pfeil und Bogen ab und zu ein wenig aufhielten und sich ihnen sogar gelegentlich direkt zum Kampf stellten und Mann gegen Mann fochten. Sie verloren jedes Mal, und zwar heftig. So sehr, dass Kleist sich gezwungen sah, ihnen zu verbieten, sich so unüberlegt auf die Erlöser zu stürzen– eine Rede, die, das kann hier mit Sicherheit festgestellt werden, einem Klepht noch nie gehalten worden war.
    Aber keine Gesellschaft, und sei sie noch so auf ihre Ehre bedacht, noch so sehr zum Märtyrertum entschlossen, und habe sie noch so hehre Prinzipien, ist völlig frei von Verrätern. Die Erlösermönche hatten ihren legendären Apostaten Harwood, die Materazzi hatten ihren Oliver Plunkett. Und selbst die Lakonier, bei denen Gehorsam praktisch einen zusätzlichen Wirbel im Rückgrat ausmacht, hatten ihren Burdett-Harris. Bei den Klephts erwies sich in dieser Zeit ihrer größten Bedrohung der Burggraf Selo als Verräter. Von allen Klephts hatte er am meisten zu verlieren, denn er war der bei Weitem reichste. Selo war Radmacher, Händler, Geldverleiher, schleimiger Frauenheld und Charmeur, Betrüger und Halsabschneider. Dieser Mann konnte sich hinter den anderen verstecken und trotzdem immer allen eine Nasenlänge voraus sein. Kurz und gut, Burggraf Selo, der diesen altertümlichen Titel natürlich ohne jede Berechtigung führte, dachte, er könne alle anderen austricksen. Zu seiner Verteidigung muss gesagt werden, dass es ihm bisher immer gelungen war, alle anderen auszutricksen; er sah daher keinen Grund, in Kleist mehr als nur einen jämmerlichen jugendlichen Panikmacher zu sehen, der keine Ausflüchte kannte und sich nicht zu einem Arrangement bereitfinden wollte, das allen etwas nützte– und vor allem natürlich dem Burggrafen Selo. Er hatte also durchaus vernünftige Gründe, nicht auf Kleist zu vertrauen, und ebenso vernünftige Gründe, nur auf sich selbst zu vertrauen. Insofern es ein herausragendes Charaktermerkmal war, sich selbst treu zu bleiben, glaubte Selo tatsächlich, dass das, was für ihn gut war, am Ende auch für die Klephts gut sein würde. Und es muss ebenfalls festgehalten werden, dass es ihn Stunden kostete, mit seinem Gewissen ins Reine zu kommen, aber nachdem er das, was er als großen und furchtbaren inneren Kampf ansah, hinter sich hatte, tat er das, was er für das Beste für alle hielt: Er näherte sich, mit beträchtlichem Risiko, fast höchstpersönlich den Erlösermönchen– mit anderen Worten: Er schickte denjenigen seiner Brüder vor, dem er am meisten vertraute. Selos Bruder musste im Dunkeln zum Erlöserlager hinüberbrüllen, dass er ihnen etwas mitzuteilen habe. Der befehlshabende Erlösermönch, der von Cales Purgatoren

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