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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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bedrohte die Männer, bis sich eine Stunde später gestohlene Pfannen, Töpfe, grauenhafter Tand, Seide, Kisten, Teppiche und Stoffballen wild durcheinander zu einem riesigen Haufen des gesammelten Plunders der letzten fünfzig Jahre aufgetürmt hatten. Er nahm die fünf Anführer der Hundertschaft beiseite, die den Treck bewachen sollte, und schwor ihnen, dass er sie persönlich ausweiden würde, wenn sie nicht jeden Flüchtlingswagen, der auf dem Weg durch das Gebirge zu ihnen stieß, auf dieselbe Weise ausräumten. Die ganze Sache verzögerte die Abreise, bis fast keine Zeit mehr blieb, sich von Daisy zu verabschieden. Er küsste sie, half ihr, mit einiger Schwierigkeit auf das kleine, aber kräftige Bergpony zu steigen, und hielt ihre Hand, als könne er es nicht ertragen, sie loszulassen.
    »Sei vorsichtig«, sagte er schließlich. Sie brachte kein Wort heraus, als er ihre Hand freigab, und dann versuchte sie selbst, seine Hand erneut zu ergreifen. Dann fand sie ihre Stimme wieder– herausgewürgt aus einem grausamen Schluchzen. »Ich werde sie nie mehr halten.«
    »Doch, das wirst du. Ich weiß, wie ich am Leben bleibe. Das darfst du mir glauben.«
    Und dann ritt sie davon, blickte jedoch zurück und ließ ihn nicht aus den Augen, obwohl ihr Nacken und ihr Rücken schmerzten, als würden sie gespalten. Kein einziges Mal wandte sie den Blick ab, bis sie aus dem Dorf heraus war und ihn aus den Augen verlor.
    Daisys Vater trat neben ihn.
    »Hoffen wir, dass du Recht behältst.« Und beinahe hätte er es laut ausgesprochen, aber was er wirklich hoffte war, dass er sich irrte.
    Bruder Rhodri Galgan war Zehnter von vorn in den Zweierreihen, in denen fünfhundert Erlösermönche den Simmon’s-Yat-Pass hinunterstiegen. Es war ein steiler Abstieg, und Bruder Rhodri schleppte eine Menge Material mit sich, das fast die Hälfte seines eigenen Körpergewichts wog. Um sich von der Anstrengung abzulenken, betete er zum Heiligen Anton.
    »Liebster Heiliger«, flüsterte er leise vor sich hin, »du, bei dessen Predigten sogar die Fische aus den Fluten stiegen, um dir zuzuhören, du, vor dem ein Maulesel niederkniete, als du mit einer Reliquie des einzig wahren Galgens an ihm vorübergingest, du, der du das Bein eines jungen Mannes heiltest, der es sich selbst aus Reue darüber abgesäbelt hatte, weil er damit seine Mutter in den Hintern getreten hatte– habe Erbarmen mit einem armen Sünder: Vergib mir meine Dreistigkeit, meine Geilheit, meine Habgier, meine Völlerei, meinen Stolz, meinen Neid, meine Faulheit, vergib mir all dies.« Nach diesen Fürbitten blickte er kurz auf und sah einen kleinen schwarzen Gegenstand im Himmel, ungefähr sechzig Schritt entfernt. Ein leichtes Kitzeln der Angst in seinem Nacken setzte ein, als der Gegenstand schneller als ein geworfener Stein herankam und ihn voll in die Brust traf. Um ihn herum fiel ein weiteres Dutzend Männer, aber die furchtbaren Schmerzen und das Brennen in seinen Ohren lenkten ihn in den letzten Sekunden, die ihm noch blieben, vom Leid der anderen ab.
    Die Erlöser hatten kaum Zeit zu begreifen, was geschah, als schon fünfzig Klephts unter Kleists Führung den Pass hinaufrannten, in der Hoffnung, verschwinden zu können, bevor sich die Erlöser zusammenraffen und sich an ihre Verfolgung machen würden. Der Überraschungseffekt würde nur einmal gelingen. Kleist wartete noch ein paar Sekunden länger als die Klephts, um zu beobachten, welcher Schaden entstanden war. Vielleicht ein Dutzend, dachte er, also bei Weitem nicht genug. Das Problem war, dass die Gebirgspässe zwar gute Möglichkeiten boten, um sich in den Hinterhalt zu legen, dass sie aber auch so breit waren, dass die Angegriffenen sofort hinter den vielen großen Felsbrocken, die von den steilen Abhängen heruntergerollt waren, Deckung finden konnten.
    Wie Kleist erwartet hatte, warfen die Erlöser den größten Teil ihrer Lasten einfach ab, ließen fünfzig Mann zu ihrer Bewachung zurück und zogen weiter, wobei sie sich aber in kleine Trupps von jeweils zehn Mann aufteilten. Sie bewegten sich schnell und geschickt vorwärts: Ein Trupp überholte den nächsten, ging dann in Deckung, um den überholten Trupp vorbeiziehen zu lassen, der dann weiter vorn in Deckung ging, und so weiter. Der erste Angriff hatte sie zwar ein wenig langsamer werden lassen, aber das reichte nicht aus.
    »Ihr müsst größere Risiken eingehen«, erklärte Kleist den Klephts, »sonst holen sie den Flüchtlingszug ein.«
    Dass ihn

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