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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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durchschlagen zu können. Er schuldete diesen Leuten etwas, wenn auch nicht sein Leben, und sie würden von ihm dasselbe denken. Auch sie würden sich darüber nicht endlos den Kopf zerbrechen.
    Mehr kann ich nicht tun, dachte er, mea culpa. Mea culpa. Mea maxima culpa. Ich kann sie nicht retten, aber ich kann mich selbst retten. Das ist alles.
    Beinahe wäre sein Entschluss wieder in sich zusammengebrochen, als er den Plan noch einmal mit ihnen besprach, aber die kleine Stimme des Überlebenswillens kreischte so laut in seiner Seele, dass er die Sache schnell hinter sich brachte.
    Danach teilte er die Männer in zwei Gruppen auf, wobei ein paar Leute aus familiären Gründen nur gemeinsam eingesetzt werden wollten, und reihte sich selbst in die rechte Gruppe ein, weil er glaubte, dass dort die besseren Kämpfer versammelt waren.
    Er wollte nicht, dass sich die beiden Gruppen Befehle zubrüllten, weil sonst der Überraschungseffekt verloren gegangen wäre. Deshalb spannten sie eine lange Schnur zwischen den beiden Gruppen. Kleist würde heftig und ruckartig daran ziehen, wenn er glaubte, dass es gerade hell genug war, um mit dem Angriff zu beginnen. Doch sein Edelmut mahnte ihn mit erhobenem Zeigefinger, und so machte er ein einziges Zugeständnis, nämlich dass er hinter den Erlösern einen Wimpel in den Boden rammen wolle, um die Stelle zu kennzeichnen, an der sich die beiden Angriffstrupps vereinigen sollten. Zwar bereute er dieses Zugeständnis, kaum dass er es ausgesprochen hatte, aber es wirkte auch überzeugend, denn es bewies den Klephts, dass Kleist einen guten Grund hatte, sich schneller als die übrigen Kämpfer durch die Feinde zu schlagen. Hatte er die Wimpelstange erst einmal in den Boden gerammt, waren sie auf sich selbst gestellt.
    Natürlich konnten sie nicht annehmen, dass die Erlöser mit einem Angriff nicht gerechnet hätten. Aber die Umstände waren günstig für die Klephts, die nun endlich einmal auf ihr Leben keinen großen Wert mehr legten. Sie waren schnell, und sie befanden sich auf vertrautem Terrain. Kaum zu glauben, was man im frühen Morgenlicht sehen oder übersehen konnte, und die Klephts hatten fast alle Wachposten der Erlöser überrannt, bevor auch nur der erste Warnruf zu hören war. Das kostete zwar einem oder zwei Klephts das Leben, aber die übrigen stürmten ins Lager, genau wie es abgesprochen war, und trafen auf die Erlöser, die sich zwar schon regten, aber dennoch überrascht wurden. Kleist lief bereits voraus, eine Bambusstange in der Hand, rannte durch das Lager hindurch und brüllte: »Rückzug! Rückzug!«, als sei er ein Erlösermönch, der in wilder panischer Flucht davonjagte. »Halt die Klappe!«, schrie ihn ein Zentenar an und packte ihn am Arm, als Kleist an ihm vorbeirannte. Nie wäre dem Zentenar in den Sinn gekommen, dass er es hier mit etwas anderem als mit einem verängstigten jungen Erlösermönch zu tun hatte. Kleist riss sich los und lief weiter. Gerade als er den hinteren Rand des Lagers erreichte, trat ihm ein anderer Erlöser in den Weg und schlug ihn nieder.
    »Beruhige…«
    Was oder wen er beruhigen solle, blieb unausgesprochen, denn Kleist schnellte wieder hoch und stieß dem Mann in derselben Bewegung sein Messer in die Brust. Er griff nach der Stange und sprang über die Mauer aus Felsbrocken, die die Erlöser als rückwärtigen Schutz ihres Lagers aufgehäuft hatten, wobei sie allerdings nicht vermutet hatten, dass sie jemals von Nutzen sein würden. Für die Klephts allerdings würde die Mauer einen hervorragenden Schutzwall darstellen. Kleist löste das rote Tuch und steckte die Stange in einen Felsspalt, sodass sie jeder sehen musste, der es durch das Lager schaffte. Dann raste er den steilen Hang ins Gebirge hinauf, schnell und agil wie eine Bergziege, und blickte kein einziges Mal zurück.
    Einen Tag danach war er aus dem Gebirge heraus, und einen weiteren Tag später stand er vor den zehn Schafotten und den Bergen aus Asche. Dort stand er eine Weile bewegungslos; irgendwann ließ er sich zu Boden gleiten, vergrub den Kopf in den Händen und weinte. Und wieder einen Tag später saß er immer noch dort, als die überlebenden Klephts in kleinen Gruppen von drei oder vier Mann vom Gebirge herabkamen und sich neben ihn setzten. Hätte er die Klephts besser gekannt, wäre ihm klar gewesen, dass sie nicht damit gerechnet hatten, ihn hier noch vorzufinden.
    Sie konnten ihre Frauen und Kinder nicht begraben, denn sie waren sicher, dass die Erlöser

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