Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
Stein sehr viel mehr wert sein musste. Als Cale sagte, er solle ihm den Rubin zurückgeben, bot ihm der Juwelier mehr an, aber Cale hatte genug und hielt es für besser, einen anderen Laden aufzusuchen. Der nächste Juwelier behauptete, es sei gar kein Rubin, sondern Glas. Der übernächste behauptete wie der erste, dass es ein Halbedelstein sei, bot ihm aber einhundertfünfzig Dollar.
Nun wusste er zwar, dass der Stein einen gewissen Wert hatte, aber nicht, wie hoch dieser Wert war. Mutlos schlenderte er weiter und betrat schließlich Carcaterras Haus der Edelmetalle. Der Mann hinter dem Tresen mochte ungefähr Mitte dreißig sein. Cale hielt ihn für einen Juden, weil sie die einzigen Menschen waren, die er kannte, die eine Kippa trugen.
»Kann ich Euch helfen?«, fragte der Mann ein wenig misstrauisch. Cale legte den Rubin, oder was immer es sein mochte, auf den Tresen. Interessiert beugte sich der Mann darüber, hielt ihn an eine Kerze, überprüfte das Licht, das durch den Stein schien, immer mit der stillen Konzentration eines Menschen, der genau wusste, was er tat. Nach einer Minute blickte er Cale wieder an.
»Ihr seht nicht sehr gut aus, junger Mann. Wollt Ihr Euch nicht setzen?«
»Ich will nur wissen, wie viel er wert ist. Ich weiß es eigentlich schon, müsst Ihr wissen, will aber erfahren, ob Ihr wohl versuchen werdet, mich zu betrügen.«
»Ich könnte tatsächlich versuchen, Euch den Stein billig abzuluchsen«, nickte der Mann, »aber das würde mir auf jeden Fall gelingen, ob Ihr nun sitzt oder steht.«
Tatsächlich fühlte sich Cale nicht nur müde, sondern vollkommen erschöpft. Die dunklen Ringe unter seinen Augen waren so schwarz, dass er dem Pandabär im Zoo von Memphis hätte Konkurrenz machen können. An der Wand stand eine Bank; erleichtert ließ er sich darauf sinken.
»Kann ich Euch eine Tasse Tee anbieten?«
»Will nur wissen, wie viel er wert ist«, murmelte Cale.
»Ich kann Euch sagen, wie viel er wert ist, und Euch trotzdem eine Tasse Tee reichen.«
Cale fühlte sich zu zerschmettert, um sich noch weiter zu sträuben. »Danke.«
»David!«, rief der Juwelier. »Wärst du bitte so freundlich, eine Tasse Tee zu bringen? Darjeeling, bitte.«
Von hinten kam ein »Sofort«, und der Juwelier beugte sich abermals über den Rubin. Schließlich brachte David eine Tasse Tee auf einem Unterteller herein und wurde vom Juwelier mit einer Handbewegung an Cale weitergewiesen. Allen drei fiel auf, dass die Tasse auf dem Teller hörbar zu klirren begann, als Cale sie in die Hand nahm, als wäre er ein alter, zittriger Mann. David warf ihm einen verblüfften Blick zu, dann verschwand er wieder in den hinteren Räumen.
»Wisst Ihr, was das ist?«, fragte der Juwelier nach einer Weile .
»Ich weiß nur, dass er einen hohen Wert hat.«
»Das hängt davon ab, was man unter Wert versteht, denke ich. Diese Art von Stein nennt man Roter Beryll. Er stammt aus dem Beskidy-Gebirge, und das weiß ich nicht deshalb, weil ich über Edelsteine gut Bescheid weiß, sondern weil das die einzige Fundstelle überhaupt ist. Stimmt Ihr mir so weit zu?«
»Wenn Ihr meint.« Cale zuckte die Schultern.
»Ich meine es. Und das Interessanteste an der Sache ist, dass das Beskidy-Gebirge seit undenkbaren Zeiten vom einen wahren Glauben des Gehenkten Erlösers beherrscht wird. Wusstet Ihr das?«
»Um ehrlich zu sein: nein.«
»Deshalb muss dieser Stein entweder sehr alt sein– ich habe in meinem ganzen Leben nur einen oder zwei davon gesehen–, oder er wurde einer Statue der Mutter des Gehenkten Erlösers entnommen, denn für sie allein ist diese besondere Art von Edelstein reserviert.«
»Klingt ungefähr richtig«, meinte Cale. Er war zu erschöpft, um sich noch weitere Lügen auszudenken; außerdem beeindruckte ihn das Wissen des Juweliers.
»Nun, wie auch immer, ich handle nicht mit gestohlenen religiösen Kunstwerken.«
Cale trank den Tee aus, die Tasse klapperte noch immer, und stellte sie neben sich auf die Bank.
»Ich vermute, Ihr kennt auch niemanden, der damit handelt?«
»Ich bin kein Hehler, junger Mann.«
»Tut mir leid.«
Cale stand auf. Inzwischen fühlte er sich weniger erschöpft als vielmehr unendlich müde. Er ging zu dem Juwelier hinüber, der ihm den Edelstein zurückgab.
»Ich habe ihn nicht gestohlen.« Kleine Pause. »In Ordnung, ich habe ihn gestohlen. Aber niemand hätte das, was die Erlöser gestohlen haben, mehr verdient als ich und dieser Rote Beryll.«
Cale ging zur
Weitere Kostenlose Bücher