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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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ein weiterer dicker Bolzen abgeschossen, sofort danach noch einer. Ab und zu öffnete sich einer der Bolzen nicht in der Luft, aber die meisten der neun dicken Bolzen, die in jeder Minute abgeschossen wurden, trafen ihr Ziel und regneten auf die Erlöser in ihren Schützengräben hinab– einhundertacht Pfeile in jeder Minute. Aus den Gräben kam jetzt ununterbrochenes, entsetzliches Schreien der Verwundeten und Sterbenden. Gils Gesicht hatte eine stoische Blässe angenommen. Durch das Fernrohr beobachtete Cale, wie die Erlösersoldaten verzweifelt versuchten, sich noch tiefer einzugraben, aber ebenso gut hätten sie versuchen können, sich vor dem Regen einzugraben. Den Überlebenden wurde schon bald klar, dass sie in den Gräben keine Chance hatten; sie kletterten heraus und ergriffen die Flucht. Man ließ sie ungefähr fünfzig Schritte weit laufen, dann regneten von beiden Längsseiten des großen U Pfeile auf sie hinab– und die Männer fielen wie Ähren unter der Sense. Etwa zwanzig Erlöser ergaben sich. Überall auf den Seiten des U traten Folksoldaten hinter Büschen, Bäumen und Erdwällen hervor. Die kapitulierenden Erlöser waren bereits auf hundert Yards an sie herangekommen, als ihnen eine Gruppe von Folksoldaten entgegenkam, um sie gefangen zu nehmen. Cale fragte sich, ob die Erlöser barmherziger behandelt würden, als sie im umgekehrten Fall die Folksoldaten behandelt hätten. Doch dann schwirrte ein halbes Dutzend Pfeile vom Hügel am Ende des U herab, und die Folksoldaten fielen schreiend zu Boden. Dort oben hatten sich zehn Erlöser verschanzt und weigerten sich aufzugeben. Aber Cale konnte sehen, dass auf der rechten Seite des Hügels ein toter Winkel war, durch den ein Stoßtrupp von Folkmännern bis auf fünfzig Schritte zu den widerspenstigen Erlösern vorrücken konnte. Die Erlöser saßen buchstäblich fest. Dann marschierte auch noch ein Verstärkungstrupp der Folk heran. Nun waren die Angreifer zahlenmäßig überlegen und überrollten die Erlöser auf dem Hügel schon beim ersten Vorstoß. Wenn die kapitulierenden Erlöser aus den Schützengräben überhaupt eine Chance auf Barmherzigkeit gehabt hatten, so war auch diese nun endgültig verspielt worden. Zehn Minuten später lebte kein einziger Verteidiger mehr. Auf der Gegenseite waren nur die wenigen Folksoldaten gefallen, die bei der gescheiterten Gefangennahme aus ihrer Deckung gekommen waren. Die Folktruppen hatten wieder einmal einem der größten Kampfheere der Welt eine blamable Niederlage zugefügt.
    Drei Tage später kehrten die achtzehnhundert Mann zurück, die Cale zum nächsten Fort geschickt hatte. In der Zwischenzeit waren auch die Folktruppen nicht untätig gewesen und hatten mehr als zweihundert Wagen mit Nachschub und fast tausend Soldaten zusammengezogen. Doch als das Erlöserheer heranrückte, waren sie einfach in den Weiten des Veldt verschwunden. Offenbar vertrauten sie darauf, dass Duffer’s Drift oder eine der anderen Hauptstraßen, die ins Landesinnere führten, ebenso leicht zurückerobert werden könnten, wie es ihnen soeben gelungen war.
    Cale versammelte siebzehn Zentenare um sich, Bogenschützen-Offiziere, die jeweils Trupps von hundert Mann anführten. Eine Stunde lang sprach er mit ihnen über die Taktik der gefallenen Erlösertruppen, die inzwischen in einer Senke ungefähr fünfhundert Schritte entfernt beerdigt worden waren. Er erklärte den Zentenaren, warum sie so leicht zu besiegen gewesen waren. Er lud sie ein, Fragen zu stellen. Es gab nur wenige Fragen. Dann verlangte er, Antworten zu hören. Es gab auch nur wenige Antworten auf die Fragen. Cale wurde klar, dass keine einzige Antwort zu einem anderen Ergebnis der Schlacht geführt hätte; nur ein paar hätten vielleicht den Gang der Dinge ein wenig länger hinauszögern können.
    »Ihr habt zwei Stunden, um euch auf einen Verteidigungsplan zu einigen. Dann werden zweihundert Mann hierbleiben und versuchen, die Stellungen zu halten– drei Tage lang, denn so lange wird es dauern, bis die Verstärkungstruppen eintreffen.«
    »Wie werdet Ihr die Besatzung auswählen, Herr?«
    »Durch das Gebet«, antwortete Cale. Auf dem Weg zu seinem Zelt dachte Cale kurz darüber nach, wie gemein seine letzte Bemerkung gewesen war. Auch wenn sie Erlöser waren, diese zweihundert Männer würden sterben müssen.
    Und so kam es auch. Cale hörte sich die neue Verteidigungstaktik an, befahl ein paar kleinere Veränderungen, um durch kleine Manöver die Taktik

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