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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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haben?«
    Außerdem wurden genügend Verstecke an verschiedenen Stellen angelegt, die aus großen Felsbrocken oder aus den steinharten Termitenhaufen bestanden, welche die Landschaft wie spitze, aber schlecht konstruierte Bienenhaufen übersäten. Auf dem Hügel innerhalb des U wurde der Schützengraben verlegt, damit er auch den toten Winkel abdeckte, der beim ersten Angriff übersehen worden war.

SECHSTES KAPITEL
     

    D
u bist mein Held.«
    Kleist und das Mädchen saßen vor einer teilweise abgestorbenen, ausgehöhlten alten Eiche, in der ein Feuer wie in einem Herd brannte.
    »Ich bin nicht dein Held.«
    »Doch, das bist du«, neckte ihn das Mädchen. »Du hast mich gerettet.«
    »Ich habe dich nicht gerettet. Du hast dich zufällig im Gebüsch versteckt, während ich meine Sachen zurückholte. Ich habe nicht mal gewusst, dass du da warst.«
    »In deinem Herzen hast du es gewusst«, neckte ihn das Mädchen weiter.
    »Du kannst glauben, was du willst«, sagte Kleist. »Morgen gehst du, wohin du gehen wolltest, und ich gehe in eine andere Richtung, so weit von dir weg wie möglich.«
    »Mein Volk glaubt«, plapperte das Mädchen munter wie ein Spatz, »dass ein Mensch, der einem anderen das Leben rettet, immerdar für ihn verantwortlich ist.« Das war die unverschämteste Lüge, die es jemals erzählt hatte, denn sie stand in völligem Gegensatz zu dem, was die Klephts hinsicht lich zwischenmenschlicher Verpflichtungen tatsächlich empfanden.
    »Was für einen Sinn soll das denn haben?«, fragte Kleist gereizt. »Sollte doch genau umgekehrt sein!«
    »Auch gut. Dann bin ich eben jetzt für dich verantwortlich.«
    »Erstens«, sagte Kleist, »ist es mir völlig egal, was deine Leute glauben, und zweitens will ich nicht, dass du dich für mich verantwortlich fühlst– sondern ich will, dass du endlich verschwindest!«
    Das Mädchen lachte. »Das meinst du doch gar nicht so. Wie heißt du eigentlich?«
    »Ich habe keinen Namen. Bin namenlos.«
    »Jeder hat einen Namen.«
    »Ich nicht.«
    »Soll ich dir meinen Namen verraten?«
    »Nein.«
    »Wusste ich doch, dass du das sagen würdest.«
    »Warum fragst du dann?«
    »Weil ich«, sagte das Mädchen, »dich gerne reden höre. Ich liiiebe den Klang deiner Stimme.« Und es lachte wieder. Es brauchte ungefähr zwei Stunden, bis sie Kleist weichgeklopft hatte.
    Zwei Tage später beobachteten Cale und Gil, wie die Folktruppen die Kapitulation der sechs überlebenden Erlösersoldaten akzeptierten, offenbar erst nach einigem Streit und mit sehr viel größerer Vorsicht als beim ersten Mal. Die Erlöser wurden gefesselt und auf einen Wagen geladen; zehn Minuten später verschwanden sie hinter dem Tafelberg.
    »Wie oft noch?«, fragte Gil mürrisch.
    Cale gab keine Antwort. Er ging den Hügel hinunter, stieg auf sein Pferd und ritt zum nicht sehr zutreffend benannten Fort Bastion zurück. Fünf Tage später kamen die vier Männer wieder in der Ordensburg an und traten einem übellaunigen Bosco gegenüber.
    »Ich habe dir befohlen, im Veldt zu bleiben, bis du diese Probleme gelöst hast.«
    »Ich habe sie gelöst.«
    Cale bemerkte erfreut, dass seine Antwort Bosco buchstäblich die Sprache verschlug. In ihrer langen Bekanntschaft war ihm das noch nie gelungen.
    »Erklär mir das!«
    Und Cale erklärte es ihm. Als der geendet hatte, schien Bosco zu zweifeln, nicht deshalb, weil ihn Cales Ausführungen nicht überzeugt hätten, sondern weil seine Behauptungen zu gut erschienen, um wahr werden zu können. Cale bot Bosco einen Ausweg aus der entsetzlich verfahrenen Situation an, deren geradezu lächerliche Ursache die Ereignisse waren, die zur Hinrichtung seiner so sorgfältig ausgewählten zweihundertneunundneunzig Elitesoldaten geführt hatten. Wenn ihm jemand einen Ausweg aus der schlimmsten Zwangslage anbot, die er jemals erlebt hatte, dann ergab es nach Boscos Erfahrung keinen Sinn, sich über den Preis Sorgen zu machen oder auch nur darüber zu grübeln, ob es sich dabei nur um eine Selbsttäuschung oder um bloßes Wunschdenken handelte. Menschen glauben immer das, was sie glauben wollen. Das war, dachte Bosco, vielleicht die schönste der großen Wahrheiten. Er hatte keine große Wahl– er musste den Vorschlag annehmen.
    »Während deiner Abwesenheit habe ich die Purgatoren antreten lassen. Einen von ihnen ließ ich vor aller Augen hinrichten. Es war ein mühevolles Sterben. Ich meine, mühevoll anzuschauen. Wenn du ihnen erklärst, was du von ihnen verlangst, wird ihnen

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