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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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nicht. Gott schickt seine großen Boten an viele Orte. Die meisten werden verrückt, weil sie keinen Führer haben, der ihnen erklärt, wer sie sind und was sie zu tun haben.«
    An diesem Abend wurden die wöchentlichen Kontrollen auf Gefängnisfieber um einen Tag vorgezogen. Guido Hooke erhielt eine Skabiose-Tinktur und schluckte sie widerstandslos. Warum sollte er die Erlösermönche verdächtigen, ihn vergiften zu wollen, da sie doch für ihn ohnehin eine öffentliche und höchst unangenehme Hinrichtung planten? Am nächsten Tag zeigten sich bei ihm die erforderlichen Fiebersymptome, Schweißausbrüche und Bläschen. Zwar waren dies nicht genau die Symptome des gefürchteten Gefängnisfiebers– gefürchtet deshalb, weil es sich sehr schnell in der gesamten Gemeinschaft der Erlösermönche ausbreiten konnte–, aber sie schienen dennoch bedrohlich genug, um einige der Gefängniswärter sofort nach dem Arzt rufen zu lassen; Wärter übrigens, die niemals genug Verstand oder Mut aufbringen würden, die Kongregation für die Verbreitung des Glaubens zu belügen. Teil eins der Lüge war somit unverrückbar in der Wahrheit verankert. Mit großem Aufheben wurde Hooke aus seiner Zelle und durch eine Ansammlung von Purgatoren geführt, damit so viele Zeugen wie möglich seine offenkundige Erkrankung bestätigen konnten. Sein Gesicht war außerdem unverkennbar, trug er doch einen schnurrbartlosen, dichten fuchsroten Bart. Der Bart ließ ihn zwar furchtbar aussehen, aber vor zwanzig Jahren hatte ihm einmal eine boshafte junge Frau weisgemacht, dass ihm der Bart ausnehmend gut stehe, und er hatte seither sehr viel Zeit für die Pflege seines Barts aufgewandt. Jetzt allerdings tobte und schrie er im Fieberwahn, weil der Apotheker versehentlich die dreifache Dosis angerührt hatte. Hooke wurde in eine abseits liegende Zelle gebracht, in der man Fieberkranke ohne Wasser und Nahrung sterben ließ. Das war eine Ausnahmeregelung und die menschenfreundlichste, die der Erlöserorden anzubieten hatte. Denn es war entschieden besser, relativ schnell an hohem Fieber durch Wassermangel zu sterben, als durch die entsetzlichen letzten Stadien der Krankheit dahinzusiechen. Nach wenigen Minuten betraten Cale, Bosco und Gil die Zelle und betrachteten den jungen Mann, der angesichts seines tobsuchtähnlichen Zustands seine Rolle in dem Täuschungsspiel nur mit Schwierigkeiten spielen konnte. Cale schnitt ihm den fuchsroten Bart so kurz wie möglich ab. Der Haufen roter Barthaare sah recht eindrucksvoll, aber auch ziemlich widerlich aus.
    »Mit Augen und einem Schwanz würde das wie eine fuchsrote Ratte aussehen.«
    Gil und Bosco gingen hinaus und kehrten zehn Minuten später mit einer Leiche zurück, die Hooke nach Alter und Gewicht ähnlich war. Cale hatte die Leiche verlangt, aber angeregt, dass sie vom Leichenhaus beschafft würde. Ob dort tatsächlich zufällig eine derart passende Leiche gelegen hatte oder nicht, wollte er nicht wissen– und Gil und Bosco hatten dazu nichts zu sagen.
    Cale hatte inzwischen Hooke vollständig entkleidet und zog nun auch der Leiche die Kleider aus. Dann legte er dem Toten Hookes Kleider an und wickelte seinen Kopf bis zum Kinn in einen weißen Leinenstreifen, wie es bei Toten der Brauch war. Anschließend stopfte er die Barthaare unter die Binde, sodass es aussah, als würde der Bart von der Binde zusammengedrückt. Bosco schnaubte. Die Idee mochte genial gewesen sein, ihre Ausführung jedoch war nicht so eindrucksvoll.
    »Das ist nur ein erster Versuch«, sagte Cale. »Gebt mir eine Stunde, dann wird er viel besser aussehen. Außerdem sehen die Leute nur, was sie zu sehen erwarten. Wenn wir ihn morgen verbrennen, werden wir die Brüder außerdem aus einiger Entfernung zuschauen lassen.«
    »Aber es ist eine postmortale Exekution«, wandte Gil ein. »Die Bruderschaft wird erwarten, dass Brzica sie durchführt.«
    »Brzica ist kein Problem.«
    Damit gab Bosco Gil ein Zeichen, Hooke auf die Beine zu helfen.
    »Gib uns ein Küsschen, Häschen«, lallte Hooke in seinem Delirium.
    »Wohin bringt Ihr ihn?«, fragte Cale.
    »Gott«, antwortete Bosco, »schuf die Hölle für die Neugierigen.«
    »Nur ein kleines«, trillerte Hooke, als sie ihn aus der Zelle schleppten. Cale machte sich wieder daran, den Pelz unter der Gesichtsbandage des Toten neu zu arrangieren.
    Zwanzig Minuten später hatten sie Hooke in einem anderen Raum untergebracht, der durch zwei dicke Mauern vom Rest der Ordensburg abgetrennt war. Eine

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