Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
Vom Netzwerk:
konnte ein Wesen wie den Menschen retten, so bösartig, gemein und minderwertig der Mensch nun einmal war. Doch war es ein Kernsatz des Glaubens, dass der Gehenkte Erlöser sowohl Mensch als auch Gott sei. Wie war das möglich? Bis vor Kurzem hatte man das Problem einfach dadurch gelöst, dass man es vollständig ignorierte, aber der Bruder Restorius, Bischof von Arden, hatte den Staub wieder neu aufgewirbelt, der sich auf dieser Frage angesammelt hatte, als er in einer Predigt die Theorie der Heiligen Emulsion erwähnt hatte. Die beiden Wesenheiten des Gehenkten Erlösers verhielten sich, so seine Behauptung, wie Öl und Wasser, die gemischt und verrührt würden. Für eine gewisse Zeit in seinem Leben auf der Erde erschien die Mischung dem Beobachter wie eine einzige Flüssigkeit, aber im Laufe der Zeit würde sie sich scheiden und abermals zu klar unterscheidbarem Öl und Wasser werden. Man konnte sie neu mischen, aber sie würden trotzdem immer verschieden sein. »Unsinn!«, hatte Erlöserbischof Cyril von Salem erwidert. »Die Wesenheit des Gehenkten Erlösers war wie Wasser und Wein– getrennte Flüssigkeiten, bis sie zu einer Form gemischt werden, in der sie untrennbar werden, sodass keine Macht der Welt sie wieder trennen könnte.«
    Obwohl die Debatte mit größter Verbitterung geführt wurde, hatten weder Parsi noch Gant auch nur das geringste Interesse daran, sich auf den Streit zwischen zwei händelsüchtigen Klerikern einzulassen, bis Papst Bento, in einem seiner seltenen Augenblicke geistiger Klarheit, den Wunsch zum Ausdruck brachte, das Problem zu lösen. Warum er das wollte, ging schon am nächsten Tag im Nebel verloren, der sich erneut über sein Denken legte, aber Gant und Parsi hatten damit die Befugnis erhalten, eine Konferenz durchzuführen, und durften auch selbst entscheiden, welchen Ort sie dafür für geeignet hielten. Sie wählten die Ordensburg aus, denn der Ort, an dem sich ein solches Konzil versammelte, wurde für die fragliche Zeit unter die Herrschaft der Konferenzvorsitzenden gestellt– und in diesem Fall teilten sich Parsi und Gant den Vorsitz. Damit erhielten sie das Recht, überall in der Burg herumzugehen und mit allen zu sprechen. Damit wird wohl klar, warum die Frage der Emulsion in vielerlei Hinsicht so wichtig geworden war. Der vernichtende Schlag des Todes seiner dreihundert Elitesoldaten hatte deutlich gemacht, dass selbst ein so großartiger Taktiker wie Bosco dem Swinedoll’schen Gesetz der Bewegung unterworfen war: Wer sich nicht vorwärtsbewegt, bewegt sich rückwärts. Bosco konnte sich nur noch so langsam wie möglich zurückziehen. In Chartres verfügte er noch über einen gewissen, aber doch sehr unsicheren Einfluss, der sich im Laufe der Jahre aus zahlreichen Gefälligkeiten für bestimmte Verbündete ergeben hatte, die aber unzuverlässig und von der fernen Ordensburg aus nicht leicht im Auge zu behalten waren. Die Gegenleistung dafür musste er nun einfordern. Die unzuverlässigen Verbündeten ließen ihn zwar nicht im Stich, wollten für ihn jedoch auch keine Risiken eingehen, bis sich abzeichnete, wie sich der Machtkampf zwischen Bosco und den beiden Kardinälen entwickelte. Dem Plan von Gant und Parsi, die Konferenz in der Ordensburg, und zwar innerhalb eines Monats, abzuhalten, stand in der Apostolischen Kammer nichts mehr im Wege und wurde daher ohne nennenswerte Opposition in die Tat umgesetzt. Für Bosco waren das schlechte Nachrichten. Als Reaktion darauf wurde in Chartres ein Komitee eingesetzt, in dem auch Leute saßen, die Bosco einen Gefallen schuldeten, und außerdem auch solche, die insgeheim mit seinen Bestrebungen zur Reform des Erlöserordens sympathisierten. Gant und Parsi unternahmen zwar den Versuch, das Komitee zu verhindern, was ihnen aber nicht gelang. Ein Grund dafür war, dass die Erlöser unbedingt einen Sieg brauchten, um die Moral der Gläubigen wieder zu festigen, die durch die anhaltende Pattsituation an der Ostfront auf eine schwere Probe gestellt wurde– eine Moral, die durch Gerüchte noch weiter beschädigt wurde, dass die Antagonisten in Argentum eine Silbermine entdeckt hätten, die so ergiebig sei, dass sie nun in der Lage seien, eine ganze Armee von lakonischen Söldnern anzuheuern. Ein zweiter Grund allerdings war, dass es hier zwar um theologische und politische Fragen gehen mochte, dass aber nichts besser geeignet war als die Niederlage eines Feindes, um die Moral zu heben. Und wenn der Feind eher als lästige Seuche

Weitere Kostenlose Bücher