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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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darin bestand, ihn im Kampf Mann gegen Mann zu besiegen, sondern ihn, ohne das eigene Leben zu gefährden, so weit zu reizen, dass er in Folge eines Herzanfalls oder Hirnschlags auf der Stelle tot umfiel, einzig und allein auf Grund seiner Leichtgläubigkeit im Hinblick auf seine weiblichen Anverwandten. Doch sosehr ihn das belustigte, war Kleist zugleich auch tief gespalten. Die militärische Philosophie der Klephts sagte ihm zu, weil sie sich genau gegen all das richtete, das ihm die Erlösermönche in Bezug auf Blut, Schmerz, Selbstopferung und Pflichtbewusstsein beigebracht hatten. Aber paradoxerweise widerte ihn diese Einstellung zum Krieg aus genau demselben Grund auch an.
    Daisys Dorf, Soho, war vollständig von einem breiten Pfad umgeben, der von eigens gepflanzten Olivenbäumen gesäumt war. Jeden Abend promenierten die Klephts auf diesem Weg um das Dorf und redeten über dies und jenes und überhaupt über Gott und die Welt. Kleist erfreute sich großer Nachfrage als Gesprächspartner, weil die Klephts notorisch neugierig auf alles im Allgemeinen und auf die Erlösermönche im Besonderen waren, deren religiöse Überzeugungen und Praktiken sie vollkommen unbegreiflich und daher ausgesprochen faszinierend fanden. Sie nahmen an, dass sämtliche Erzählungen von ihrer Brutalität, jede entsetzliche Schilderung von Himmel oder Hölle, jede Einzelheit des Glaubens, die Kleist schilderte, lediglich aberwitzige, aber höchst unterhaltsame Lügen seien. Sosehr sich Kleist auch bemühte, er schaffte es nicht, sie zu überzeugen, dass es tatsächlich Leute gab, die das glaubten, was die Erlösermönche glaubten, und sich auch so verhielten. » JUNGFRÄULICHE EMPFÄNGNIS ? HAHAHA !!! AUF WASSER GEHEN ? HIHIHI ! AUFERSTANDEN VON DEN TOTEN ? HOHOHO ! DIE VIER LETZTEN DINGE ? HEHEHE !« Ein paar Tage nach dem Kampf gegen die Molosser löcherte nun Kleist seinerseits einen Klepht mit Fragen– Daisys Vater, einen gutmütigen Schurken, der Kleist sofort in sein Herz geschlossen hatte, so unzuverlässig diese Gefühlsneigung auch sein mochte.
    »Verstehst du, Suveri, ich habe nichts gegen das Abhauen, aber uns hat man immer beigebracht, dass das die schnellste Methode sei, ums Leben zu kommen.«
    »Ich lebe doch noch, oder nicht? Siehst du irgendwelche Gräber, die hier geschaufelt werden?«
    »Mit solchem Verhalten würdet ihr anderswo in der Welt nicht durchkommen. So weit ein Pferd sie tragen könnte, würden sie euch verfolgen. Und sie würden die Infanterie einsetzen, wenn sie gut genug wäre.«
    »Aber wir kämpfen nicht an vielen anderen Orten, sondern nur hier.«
    »Und wenn ihr müsstet?«
    »Tun wir aber nicht.«
    »Ihr überfallt viele andere Stämme.«
    »Und manchmal kommen wir auch ums Leben. Was immer wir klauen können, versuchen wir, hier in die Berge zu schaffen. Und wenn wir uns tatsächlich einem direkten Kampf stellen müssen, lassen wir die gestohlene Beute einfach fallen und rennen hierher zurück.«
    »Was ist, wenn sie euch vorher einholen?«
    »Na, vermutlich muss man dann kämpfen, und sobald es möglich ist, haut man ab. Und wenn das nicht möglich ist, stirbt man eben.«
    »Man kann keinen Krieg gewinnen, ohne sich dem Kampf zu stellen. Das ist eine Tatsache.«
    »Stimmt wohl, denke ich. Aber wir kämpfen keine Kriege. Wir stehlen und räubern nur. Es ist mir völlig egal, ob die Erlösermönche für Gott oder für die Materazzi oder für Ruhm und Ehre sterben wollen. Uns selber passt das zwar nicht, aber die Menschen sind nun mal verschieden.« Er lachte und wies auf die Kalkfelsenlandschaft, von der sie umgeben waren. Unzählige Felsnischen und -risse und tiefe Täler. »Die Wüste erzeugt Fanatiker, das weiß doch jeder. Aber ein Ort wie dieser hier bringt edle Faulheit hervor. Wir wissen, dass wir andere Leute in Ruhe lassen müssen.«
    »Trotzdem bestehlt ihr sie doch dauernd!«
    »Na gut, davon mal abgesehen. Kein Mensch ist vollkommen.«
    Während der folgenden drei Monate weiteten Cale und Gil ihren Feldzug gegen die Folk aus. Sie teilten die Purgatoren in Kleintrupps von je zehn Mann; jedem dieser Trupps wurden zweihundert gewöhnliche Kriegermönche unterstellt.
    Zwar gab es zu Beginn des Feldzugs mehr Niederlagen als Siege, aber die äußerst grausamen Kämpfe hatten auch den Vorteil, dass dabei all jene eliminiert wurden, die die neuen Taktiken nicht begreifen konnten oder wollten. Zu Cales Überraschung überlebten die meisten Purgatoren; viele blühten sogar richtig auf. Vielleicht

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