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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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wegzulocken. Habe mich wohl getäuscht, nicht wahr?« Er lächelte, um Henri zu beruhigen. Henri schien ihm eine gefährliche Mischung zu sein: nervös, aber ganz bestimmt ein hervorragender Schütze.
    »Wir alle können das hier überleben«, wiederholte Fanshawe. »Nimm die Armbrust herunter, dann wird mein Freund Dominic freigeben.«
    »Du bist zuerst dran«, sagte Henri. »Wie ich schon gesagt habe.«
    »Ich schneide deinem Freund die Kehle durch«, rief der Mann, der Cale bedrohte, Henri zu. »Und dann kommst du an die Reihe!«
    »Wir müssen uns alle erst einmal beruhigen. Ich werde meinem Freund befehlen, gemeinsam mit Dominic aufzustehen. Dann sehen wir weiter. Einverstanden?«
    Henri nickte.
    »Ich zähle bis drei. Eins, zwei, drei.«
    Der Mann lockerte den Druck mit dem Messer nicht im Geringsten, schaffte es aber, Cale auf die Füße zu zerren.
    »Wunderbar«, sagte Fanshawe. »Wir machen Fortschritte.«
    »Und jetzt?«, fragte Henri.
    »Jetzt wird’s schwierig, das gebe ich zu. Wie wäre es, wenn wir…«
    Im selben Augenblick kickte Cale gegen das Schienbein des Mannes, der ihm das Messer an die Kehle presste, rammte ihm den Ellbogen in die Rippen und packte seine Messerhand am Gelenk, das er mit aller Kraft umdrehte. Der Schmerzensschrei erstickte buchstäblich, weil dem Mann durch den Schlag die Luft aus der Lunge gepresst wurde. Blitzschnell schlängelte sich Cale weg von ihm, wobei er ihm den Ellbogen in den Oberarm stieß und ihm das Messer entriss. Zu Cales Verblüffung konnte sich der Mann immer noch ganz gut bewegen. Er blockte Cales Messerstich ab und erwischte Cale mit einem kräftigen Fausthieb an der Schläfe. Cale schrie auf vor Schmerzen und sprang zurück, um besser zu einem weiteren Schlag ausholen zu können. Doch als er zuschlug, duckte sich der Mann blitzschnell nach rechts und links unter den Hieben weg, trat Cale gegen das linke Schienbein, sodass er den Boden unter dem Fuß verlor und auf ein Knie stürzte. Ein weiterer heftiger Schlag hätte jeden einzelnen Zahn in Cales Mund zerschmettert, wenn er nicht den Kopf zurückgerissen hätte, sodass ihn die Faust nur noch an der Kinnspitze streifte und abglitt. Cale sprang sofort wieder auf, während sein Gegner durch die Wucht des eigenen Schlages das Gleichgewicht verlor und sich hastig ein paar Schritte zurückziehen musste. Nun standen sie einander gegenüber, doch mit dem Messer war Cale im Vorteil. Sie starrten einander an und warteten auf eine Gelegenheit, erneut anzugreifen.
    »Hört auf! Wir hören alle auf! Sag es ihm!«, brüllte Fanshawe Henri an. »Wir können alle unverletzt bleiben. Niemand muss hier sterben.«
    »Das wäre mir egal«, fauchte der Mann und starrte Cale wütend an.
    »Aber mir nicht!«, brüllte Fanshawe. »Tu sofort, was ich dir sage! Gib auf, und zieh dich zurück! Wenn du nicht folgst, helfe ich ihm, dich umzulegen!«
    Der Mann war zur Folgsamkeit erzogen worden, mehr noch als zum Kampf bis zum Tod. Langsam und äußerst misstrauisch wich er ein paar Schritte zurück.
    »Glückwunsch. Das gilt für uns alle. Steig hinter mir aufs Pferd, Mawson.« Fanshawe blickte Henri an. »Darf ich, mein lieber Junge?«
    »Ich bin nicht dein lieber Junge.«
    Fanshawe griff nach den Zügeln und lenkte sein Pferd zu Mawson hinüber, der Cale nach wie vor anstarrte, als überlegte er, ob er ihm zuerst das Herz oder doch lieber die Leber herausreißen solle.
    »Steig auf, Mawson!«
    »Mein Messer«, sagte Mawson. Fanshawe seufzte und warf Cale einen Blick zu, als wolle er sagen: Was soll ich nur mit diesem Jungen anfangen?
    Cale holte aus und warf das Messer mit aller Kraft ungefähr vierzig Schritt weit weg, in die Richtung, in der er Fanshawe und Mawson verschwinden sehen wollte.
    »Ich bin dir zutiefst zu Dank verpflichtet«, sagte Fanshawe. Mawson, der nun nicht mehr die Miene eines erfahrenen Killers zur Schau trug, hob ohne weitere Aufforderung die Tarndecke vom Boden auf. Dann sprang er so leichtfüßig und graziös hinter Fanshawe auf das Pferd, als setzte er sich an den Esstisch. Plötzlich wirkte er viel jünger.
    »Bis bald, Jungs«, sagte Fanshawe. Er wendete das Pferd und ritt davon, hielt aber kurz an, damit Mawson sein Messer aufheben konnte. Schon bald waren sie fünfhundert Schritte entfernt und verschwanden hinter der Hügelkuppe, hinter der Fanshawe erst vor zehn Minuten aufgetaucht war.
    »Ich glaube nicht«, sagte Henri, »dass ich dafür gebaut bin.«
    »Du warst absolut großartig«, erwiderte Cale.

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