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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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Sie schwangen sich auf die Pferde und ritten so schnell wie möglich zum Lager zurück.
    Fanshawe und Mawson jedoch ritten nicht sehr viel weiter als bis zu der Stelle, an der Cale den Reiter zum ersten Mal erblickt hatte. Dort fanden sie eine kleine, natürliche Bodendelle, in der Mawson die Tarndecke ausbreitete. Dann gaben sie sich mit aller Lust ihren höchst gemeinen lakonischen Genüssen hin.
    Es war die Nacht vor der Schlacht der Acht Märtyrer, so benannt, weil in den letzten sechshundert Jahren genau diese Zahl von Erlösermönchen ihr Leben für den Glauben geopfert hatten– auf diesem Schlachtfeld oder jedenfalls in nächster Nähe davon. Und es war keineswegs ein Zufall, dass das Kampffeld bereits durch das Blut der Märtyrer geweiht war. Denn die Erlöser waren bei ihren vielen Feinden dermaßen verhasst, dass es nur noch wenige Orte gab, an denen nicht ein Erlösermönch gehenkt, enthauptet, gerädert, geteert und gefedert, verstümmelt, erwürgt, erdrosselt oder gekreuzigt worden war. Den Erlösermönchen musste es allmählich schon fast peinlich sein, dass sie über so viele Möglichkeiten verfügten, Schlachtfelder nach heiligen Märtyrern benennen zu können. Tatsächlich hätte man jede Kneipenprügelei nach einem Märtyrer benennen können.
    Cale war zur letzten Besprechung vor der Schlacht nicht eingeladen worden, allerdings hatte man ihn auch nicht direkt ausgeschlossen. Er versteckte sich mit Vague Henri hinter Van Owens Stabshütte und wartete darauf, dass sich am Eingang eine größere Gruppe bildete, mit der er sich unbemerkt in die Besprechung schleichen könnte. Er flüsterte Henri zu: »Was muss ich tun?«
    »Die Klappe halten.«
    »Hoffentlich kann ich mir das merken.«
    Dann kamen fünf oder sechs Erlöseroffiziere an, und Cale folgte ihnen dichtauf ins Innere. Es war ein großer Raum; Cale schob sich in den dunkelsten Winkel, in dem auch das dichteste Gedränge herrschte. Nur weiter vorn, wo der große Schlachtplan an der Wand hing, war der Raum gut beleuchtet.
    Zu Cales Enttäuschung enthielt Van Owens Taktik nichts auffällig Dummes. Allerdings auch nichts auffällig Interessantes, wenn man davon absah, dass er befahl, den Soldaten in der Frontreihe sehr viel schwerere Rüstungen zuzuweisen, denn sie würden den ersten Ansturm der Lakonier aushalten müssen. Cale musste zugeben, dass es schwer war, auch nur eine von Van Owens Entscheidungen ernsthaft zu kritisieren, vor allem wenn man bedachte, dass Van Owen sehr wenig über die Feldtaktiken der Lakonier wusste, da er natürlich keinen Zugang zu den Testamenten in Boscos Bibliothek gehabt haben konnte. Nur eine Maßnahme verschaffte Cale eine gewisse Genugtuung– wie klein die Reservetruppen waren, die Van Owen vorgesehen hatte. Angesichts seiner zweifachen Überlegenheit hätte Van Owen nach Cales Meinung einen viel größeren Teil seines Heeres zurückhalten müssen, um ihn bei unerwarteten Entwicklungen nach vorn werfen zu können.
    »Kann man auch anders sehen«, meinte Henri, nachdem Cale mit dem allgemeinen raschen Aufbruch wieder unbemerkt aus der Kommandohütte gelangt war. »Seine erste Angriffsfront würde doch geschwächt, wenn er mit einer sehr viel kleineren Zahl angreift. Wenn er einen zu großen Teil des Heeres in Reserve hält, ist das, als würde er das Heer zweiteilen. Ich glaube, an seiner Stelle würde ich genauso handeln.«
    »Aber es fragt dich niemand nach deiner Meinung.«
    »Du hast mich gefragt.«
    »Gut, aber jetzt bereue ich es und bete um Vergebung.«
    »Tust du das? Noch immer beten, meine ich.«
    Cale gab keine Antwort.
    »Na, was ist?«
    »Ja, ich bete immer noch.« Kurzes Schweigen. »Ich bete darum, von allem Bösen erlöst zu werden und nicht den ganzen Tag lang dein hässliches Gesicht anschauen zu müssen.«
    »Hässlich? Ich sehe großartig aus. Hast du doch selbst gesagt.«
    Als sie in die Lagerhütte der Purgatoren zurückkamen, fanden sie eine Nachricht von einem der Adjutanten Van Owens vor: Cale und seine Männer dürften die Schlacht beobachten, wenn sie es wünschten, sollten sich jedoch vom Kommandoposten wie auch vom Schlachtfeld fernhalten. Unter gar keinen Umständen und auf keine denkbare Weise durften sie in die Schlacht eingreifen.
    Das war eine höchst erfreuliche Nachricht. Cales einzige Sorge war gewesen, dass Van Owen ihn aus schierer Abneigung in irgendeine gefährliche Mission abkommandieren würde. Offenbar wollte Van Owen vermeiden, dass sich Cales Ruf noch weiter

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