Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
verbreitete, sollte es hier auf dem Schlachtfeld zu einem Sieg oder zu einer Niederlage kommen. Cale schrieb eine Bestätigung des Befehls und legte sich zufrieden ins Bett.
Am nächsten Tag ließ er die meisten Purgatoren weiterschlafen– darüber freuten sie sich immer–, ritt aber selbst bei Tagesanbruch mit Vague Henri und zehn Purgatoren los. Das Heer begann gerade, sich auf den großen Tag vorzubereiten. Die kleine Truppe ritt mitten durch das Lager zum Tor. Die meisten Soldaten beachteten sie nicht, da sie an diesem Tag andere Dinge im Kopf hatten. Cale ritt mit seinen Leuten vor dem Feld der Acht Märtyrer vorbei und dann weiter nach Norden zu einer kleinen Anhöhe, von der sie einen guten Blick über das Schlachtfeld haben würden. Die Umrisse des Schlachtfelds hatte Cale vor dem Zusammentreffen mit Fanshawe bereits festgestellt. Cale befahl seinen Männern, die Umgebung gründlich nach lakonischen Vorposten zu durchsuchen, die vielleicht in der Zwischenzeit hier positioniert worden waren. Er selbst legte zwei Fluchtwege fest, für den Fall, dass etwas schiefgehen würde. Dann stiegen sie wieder auf die Anhöhe und warteten schweigend auf das große Ereignis. Am anderen Ende der Ebene hatten sich bereits ein paar Gruppen von Lakoniern eingefunden, allerdings bildeten sie keine ordentlichen Formationen, sondern glichen eher der Menschenmenge bei einer besonders großen Dorfkirmes. Offenbar warteten sie auf den Aufmarsch der Kriegermönche.
Als Erste marschierten die Schwarzen Cordelias auf, dreitausend Mann in roten Rüstungen mit schwarzen Markierungen, von denen sich ihr Name ableitete. Selbst aus ein paar Meilen Entfernung konnten Cale und seine Leute auf der Anhöhe Gesangsfetzen einer Hymne hören, die der Wind herantrug. Die Jungen lachten und stimmten spöttisch in den Gesang ein:
Bedenke, Mensch, gehst du vorüber,
So wie du bist, so war ich früher,
So wie ich bin, so wirst du werden,
So folge mir, bereit zu sterben,
Denn heut bin ich’s und morgen du.
Ich bin der Staub, Staub wirst auch du.
Entsetzlich ist des Todes Wahrheit,
Dein letzter Atem bringt dir Klarheit.
Die beiden Jungen wurden fast hysterisch vor Freude: Aus sicherer Stellung durften sie zusehen, wie ihre Feinde in den sicheren Tod gingen. Vague Henri fiel wieder ein Lied ein, das die Wächter in Arbell Schwanenhals’ Palazzo zu singen pflegten.
O Tod, wo ist dein Stachel nun?
O Grab, wo ist dein Stich?
Das Totenglöckchen will nicht ruh’n,
Doch bimmelt’s nur für dich!
Der Wind blies unbeständig, sodass der Gesang mal anschwoll, mal fast unhörbar wurde. Eindrucksvoll beherrschte ein riesiges Weihrauchfass von der Größe einer Münsterglocke den Aufmarsch der Schwarzen Cordelias, das sie in den Schlachten immer bei sich führten. Der Weihrauch wallte in einer großen Rauchsäule zum Himmel.
Inzwischen kamen immer mehr Lakonier aus ihrem Lager heraus. Sie standen in losen Gruppen beieinander und beobachteten den Aufmarsch der Feinde wie einen nur mäßig interessanten Festzug. Mittlerweile war auch die Zweite Golan-Armee angetreten, die fünf Sodalitäten mit insgesamt sechstausend Mann umfasste: die Sklaven des Unbefleckten Herzens, die Armen Simons der Ewigen Anbetung, die Norbetiner, die Furcht einflößenden Laienbrüder der Demütigung und schließlich die grimmigsten von allen: die Bruderschaft der Barmherzigen. Es dauerte eine volle Stunde, bis sich die Erlöserarmee mit all ihren Farben formiert hatte: goldene Stoffe, rote Wimpel, purpurfarbene Banner, die Stäbe der Bekenner, die rosafarbenen, Blattwedeln ähnelnden Flaggen der ärztlichen Brüder, die allerdings Sterbende erst berühren durften, wenn diese um die Letzte Ölung flehten. Sie alle stellten sich in Reih und Glied auf, begleitet von den Klängen der Dudelsäcke, die sogar den Wind übertönten. Van Owen, der den Aufmarsch von seinem Befehlsstand auf einem Felsvorsprung aus beobachtete, würde den Dudelsäcken ein Zeichen geben, die dann abbrechen und den Sodalitäten das Zeichen zum Angriff und damit zum Beginn der Schlacht geben würden. Jede Sodalität hatte ihre eigene Tonfolge, mit der den Soldaten die Befehle für Angriff, Stellungskampf oder Rückzug signalisiert wurden.
Als die Lakonier sahen, dass die Hälfte des Erlöserheeres bereits für den Angriff angetreten war, setzten auch sie sich allmählich in Bewegung, aber immer noch mit derselben Beiläufigkeit, mit der sie auch den Aufmarsch beobachtet hatten. Trotzdem formierten sie sich
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