Die letzten ihrer Art
ab. Letten sind immer gut vorbereitet. Sie musterten unsere Aufnahmegeräte und zeigten sich überrascht, daß wir diese Ausrüstung für angemessen hielten. In Lettland gäbe es wesentlich bessere Geräte als unsere. Wir sagten, das könne schon sein, nur wären wir sehr zufrieden mit ihnen, und auch die BBC scheine sie für diesen Auftrag bestens geeignet zu halten. Helmut (oder war es Kurt?) erklärte uns, daß sie in Lettland wesentlich bessere Fernsehanstalten hätten.
Der Ausbruch offener Feindseligkeiten wurde in diesem Moment glücklicherweise von einem Signal unserer Führer verhindert, die uns bedeuteten, uns still zu verhalten. Wir waren nahe bei den Gorillas.
»War doch klar«, sagte Kurt, und ein leichtes Lächeln kräuselte seine schmalen Lippen, als habe er die ganze Zeit über gewußt, daß die Gorillas an genau dieser Stelle sein würden.
Nur war es kein Gorilla, der die Aufmerksamkeit unserer Führer auf sich gezogen hatte, sondern ein Gorillabett. Im Unterholz neben dem Pfad, auf dem wir uns bewegten, war eine tiefe Einbuchtung, in der ein Gorilla die Nacht verbracht hatte. Pflanzen waren abgerissen und übereinandergelegt worden, damit der Gorilla nicht auf dem nachts kalten und klammen Boden liegen mußte.
Was Laien an Zoologen in hohem Maße eigenartig finden, ist ihre unersättliche Begeisterung für Tierexkremente. Ich verstehe ja, daß man aus diesen Exkrementen eine Menge Informationen über die Gewohnheiten und die Ernährungsweise der betreffenden Tiere herauslesen kann, aber nichts erklärt in meinen Augen die ungetrübte Verzückung, die diese Objekte auszulösen vermögen.
Ein kurzer Freudenjapser sagte mir, daß Mark welche gefunden hatte. Er fiel auf die Knie und begann seine Nikon über einem kleinen Haufen Gorillakot abzufeuern.
»Es ist im Nest«, erklärte er mir, nachdem er fertig war, »das ist sehr interessant, mußt du wissen. Die Berggorillas, also die, die hier leben, entleeren sich grundsätzlich in ihre Nester, weil es nachts zu kalt zum Aufstehen ist. Die Westlichen Flachlandgorillas tun das nicht. Für die ist es nicht so problematisch, nachts aufzustehen, weil sie in einem wärmeren Klima leben. Davon abgesehen, ernähren sich die Westlichen Flachlandgorillas von Früchten, was wohl ein weiterer Anreiz ist, sich nicht ins Nest zu scheißen.«
»Verstehe«, sagte ich.
Helmut wollte irgendwas sagen, vermutlich, daß sie in Lettland Gorillas hätten, die diesen weit überlegen seien, aber ich unterbrach ihn, weil ich plötzlich den merkwürdigen, unbehaglichen Eindruck hatte, von einem Laster angestarrt zu werden.
Wir blieben ganz ruhig und sahen uns sehr vorsichtig um. Es war nichts in unserer Nähe, es war nichts in den Bäumen über uns, und es war auch nichts in den Büschen, das uns verstohlen anspähte. Es dauerte ein paar Sekunden, bis wir überhaupt etwas sahen, aber dann bemerkten wir aus den Augenwinkeln eine kurze Bewegung. Ohne jede Deckung stand etwa dreißig Meter hinter uns auf dem Pfad etwas, das so groß war, daß wir es gar nicht bemerkt hatten. Es war ein Berggorilla oder vielleicht sollte ich besser sagen, ein Gorilla-Berg, der, auf seine Vorderknöchel gestützt, dastand und in dieser Haltung die Form eines großen, muskulösen, schrägen Hauszelts annahm.
Sie werden bestimmt schon häufiger gehört haben, daß diese Geschöpfe furchterregende Bestien sind, und ich möchte hier meinen ureigensten Eindruck hinzufügen: Diese Lebewesen sind furchterregende Bestien. Ich wüßte wirklich nicht, wie man sie sonst beschreiben sollte.
Eine Art summende geistige Lähmung überkommt einen, wenn man einem derartigen Lebewesen zum erstenmal in freier Wildbahn begegnet, und tatsächlich gibt es ja auch keine anderen derartigen Lebewesen. Alle möglichen wilden und schwindelerregenden Gefühle steigen einem ins Hirn, die man nicht einordnen oder benennen kann, vielleicht, weil es Tausende oder Millionen von Jahren her ist, seit diese Gefühle zum letztenmal erweckt wurden.
Ich werde jetzt kurz abschweifen, weil man kaum anders kann, wenn dem rationalen, zivilisierten Verstand (ich verwende diese Begriffe im weitestmöglichen Sinn) Dinge zustoßen, die ebenso unbegreiflich wie unerklärlich, aber nichtsdestotrotz überwältigend sind.
Ich habe von einem Ansatz gehört –, weiß allerdings nicht, wie ernst er zu nehmen ist –, mit dem sich das Gefühl der Höhenangst erklären läßt. Es ist eine Überlegung, die mir instinktiv gefällt und wie folgt lautet.
Das
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