Die letzten ihrer Art
Gorillaschutzes, die meiste Zeit ihres Lebens eine leidenschaftliche Gegnerin des Tourismus und wollte die Welt von ihren Gorillas fernhalten. Dennoch hat aber auch sie sich gegen Ende ihres Lebens, wenn auch schweren Herzens, zu einer anderen Auffassung durchringen können, und nach heute vorherrschender Meinung ist der Tourismus, solange er sorgfältig kontrolliert und überwacht wird, der einzige Garant für den künftigen Fortbestand der Gorillas. Es ist traurig, aber leider nicht von der Hand zu weisen, daß es letztlich auf simple Ökonomie hinausläuft. Ohne Touristen stellt sich nur die Frage, was zuerst passiert – entweder wird der Lebensraum der Gorillas vollständig zerstört, um als Anbaufläche oder Feuerholz zu dienen, oder die Gorillas werden von Wilderern gejagt, bis sie ausgerottet sind. Ungeschminkt formuliert, sind die Gorillas heute für die Einheimischen (und die Regierung) tot weniger wert als lebendig.
Die Beschränkungen, die mit Nachdruck durchgesetzt werden, sehen so aus: Jede Gorillafamilie darf nur einmal täglich, normalerweise eine Stunde lang, von einer höchstens sechs Personen umfassenden Gruppe besucht werden, deren Mitglieder für dieses Privileg je einhundert US-Dollar zu zahlen haben. Wofür sie die Gorillas unter Umständen nicht mal zu sehen bekommen.
Wir hatten Glück; wir fanden sie. Obwohl es nach unserem ersten kurzen Zusammentreffen mit dem Silberrücken eine Zeitlang nicht so aussah, als sollten wir auf weitere Gorillas stoßen. Wir bewegten uns langsam und vorsichtig durchs Unterholz, während Murara und Serundori regelmäßig Keuch- und Grunzlaute ausstießen. Sinn dieser Übungen war, den Gorillas unser Kommen anzukündigen und zu unterstreichen, daß wir nichts Böses im Schilde führten. Die Geräusche sind Nachahmungen von Lauten, die die Gorillas selbst von sich geben. Obwohl es wohl ziemlich egal ist, ob man sie nun zu imitieren versucht oder nicht. Reinlegen kann man damit sowieso niemanden. Es beruhigt die Gorillas einfach, wenn man immer dasselbe Geräusch macht. Ginge es nach ihnen, könnte man genausogut die Nationalhymne absingen.
Als wir schon kurz davor waren, aufzugeben und umzukehren, versuchten wir es noch einmal mit einem Richtungswechsel, und plötzlich schien der Wald mit Gorillas regelrecht vollgestopft zu sein. In einem Baum, knapp einen Meter über unseren Köpfen, rekelte sich ein Weibchen, das träge mit den Zähnen Rinde von einem Zweig rupfte. Es nahm uns zur Kenntnis, war aber nicht interessiert. Zwei Babys alberten in vier Metern Höhe verwegen in einem ausgesprochen schmächtigen Bäumchen herum, und ein junges Männchen tuckerte auf der Suche nach Eßbarem durchs nahe gelegene Unterholz. Wir starrten die beiden Babys an, erstaunt und fasziniert von der herrlich ausgelassenen Hingabe, mit der sie umeinander und um das grauenhaft dürre Bäumchen wirbelten, das sie für diese Übung auserkoren hatten. Es war kaum zu fassen, daß der Baum sie überhaupt tragen konnte, und tatsächlich konnte er das auch nicht. In völligem Irrglauben, was die Gravitationsgesetze betraf, rauschten sie plötzlich durch die Äste zu Boden und trollten sich verzagt ins Unterholz.
Wir folgten ihnen und begegneten einem Gorilla nach dem anderen, bis wir schließlich auf einen Silberrücken stießen, der unter einem Busch auf der Seite lag, sich mit seinem hinter dem Kopf verschränkten langen Arm am gegenüberliegenden Ohr kratzte und dabei ein einigermaßen untätiges Astbüschel betrachtete. Uns war sofort klar, was er tat. Er lungerte herum. Das war ganz offensichtlich. Oder besser: Die Versuchung, es ganz offensichtlich zu finden, war überwältigend.
Sie sehen aus wie Menschen, sie bewegen sich wie Menschen, sie halten Dinge in den Händen wie Menschen, und ihre Mimik und die ungemein menschlichen Blicke drücken etwas aus, das wir ganz instinktiv als Ausdruck menschlicher Gefühle empfinden. Wir sehen ihnen ins Gesicht und denken: »Wir wissen, wie sie sind«, aber genau das wissen wir nicht. Oder blockieren zumindest jeden möglichen Verständnisschimmer, indem wir uns mit ebenso einfachen wie verlockenden Mutmaßungen begnügen.
Auf Händen und Knien kroch ich langsam und ruhig dichter an den Silberrücken heran, bis ich nur noch einen halben Meter von ihm entfernt war. Er warf mir einen unbeteiligten Blick zu, als sei ich nur irgendwer, der gerade ins Zimmer gekommen war, und setzte seine Betrachtungen fort. Ich schätzte, daß das Tier ungefähr so groß
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