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Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed Stuhler
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Lothar de Maizière

    Meinungsverschiedenheit mit Walter Romberg. Walter Romberg wollte, dass alle im Osten gezogenen Steuereinnahmen im Osten Deutschlands bleiben, dafür aber auch auf alle Zuschüsse aus dem Westen verzichten. Und ich habe ihm damals gesagt: ›Walter, wir haben keine Bestandssteuer, wir haben keine Vermögenssteuer oder sonst irgendwas, wir haben keine Ertragssteuern, unsere Betriebe haben keine Gelder, die sie versteuern können, wir werden kaum Lohnsteuern haben, weil die Leute so wenig verdienen, dass sie unter den Freisätzen bleiben, also all die üblichen Steuern, die anfallen, werden wir nicht ziehen. Hundert Prozent von nichts ist immer noch nichts.‹ Nein, er wäre anderer Ansicht, und er würde anders verhandeln.«
      Richard Schröder: »Da hatten dem Walter Romberg seine nordrhein-westfälischen Berater den Floh ins Ohr gesetzt, und er wird sicher heute noch gekränkt sein, wenn ich dieses Wort so benutze, die neuen Bundesländer nehmen nicht am Finanzausgleich teil, dafür bleiben alle Steuern, die in den neuen Bundesländern aufkommen, auch in den neuen Bundesländern. Da hat Lothar de Maizière gesagt: ›Wie kommen Sie überhaupt auf die Idee, dass wir im nächs ten Jahr große Steuereinnahmen haben?‹ Er hatte immer die Formel, nichts von nichts ist nichts.«
      Lothar de Maizière: »Und da habe ich im Beisein der Fraktionsvorsitzenden gesagt: ›Walter, Artikel 5 unserer Koalitionsvereinbarung, die Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten, insbesondere in den Fragen der deutschen Einheit, ist gewährleistet. Ich gebe dir 24 Stunden Bedenkzeit. Wenn du dich nicht entschließen kannst, die von mir vertretene Verhandlungsposition zu vollziehen, dann muss ich dich ablösen! Und zwar, weil du den Interessen der Menschen in Ostdeutschland entgegenwirkst!‹ Und dann habe ich ihn am nächsten Tag um vier Uhr angerufen, da waren die 24 Stunden um, und ich sage: ›Warum hast du dich nicht gemeldet?‹ Da sagte er, er würde sich nicht melden, er bliebe bei seiner Haltung, und da habe ich gesagt: ›Dann betrachte dich als abgesetzt, ich schicke einen Boten mit Entlassungsurkunde!‹ So! Und das nahmen die Sozialdemokraten zum Anlass, aus der Koalition auszusteigen.«
      Vorausgegangen war, dass Rombergs Staatssekretär, Walter Siegert, zu de Maizière gekommen war und um seine Entlassung gebe ten hatte. Begründung: Romberg hätte ihn beauftragt, zur Verhandlungsrunde nach Bonn zu fahren mit der Devise: Keine Finanzausgleichsbeteiligung, dafür bleiben alle Oststeuern im Osten. Das könne er nicht verantworten, das sei ein schwerer Schlag für die neuen Bundesländer. Wenn das beschlossen würde, stünde der Osten nackt da, weil es nach dem Wirtschaftszusammenbruch nur wenige Steuern geben werde.
      »Er sagte zu mir: ›Herr Ministerpräsident, mein Minister will mich zwingen, eine Verhandlungslinie zu fahren, die gegen die Interessen der Ostdeutschen ist. Bitte lösen Sie mich ab!‹ Und da habe ich gesagt: ›Herr Staatssekretär, wir werden sehen, wer abgelöst wird!‹ Und er hat dann die Verhandlung weitergeführt auf der Grund lage dessen, was ich als notwendig und richtig erachtete.«
      »Walter Romberg«, schätzt Schröder ein, »wurde entlassen, weil er nämlich nicht im Recht war, sondern Lothar de Maizière war im Recht in dieser Auseinandersetzung. Da können wir froh sein, dass er es gemacht hat. Ich bin dann, weil ich die Gründe für den Austritt

    19.8.1990, Wolfgang Thierse begründet vor der Presse den Austritt der SPD aus der Koalition.

    aus der Koalition nicht akzeptiert habe, zurückgetreten als Fraktionsvorsitzender. Das hing auch damit zusammen, dass man nun von uns erwartet hat, dass wir gegen Lothar de Maizière einen Misstrauensantrag stellen. Ich habe gesagt, ich sehe gar keinen Anlass zum Misstrauen. Denn es gab ja vorher schon diese Erwägungen von Lafontaine, die Koalition störe auf dem Wahlkampfschlachtfeld. Aber ich wollte nun nicht als parteischädigende Person auftreten und sagen, wie es wirklich war, und habe deswegen lieber meine Klappe gehalten und dem Publikum die Details nicht erzählt. Muss ja auch nicht alles erzählen, Hauptsache, ich erzähle nichts Falsches. Und bin dann zurückgetreten mit dem Satz: ›Ich habe mit Lothar de Maizière vertrauensvoll zusammengearbeitet, und ihr kriegt mich auch nicht dazu, dass ich plötzlich sage, er könne nichts und mache alles falsch.‹«
      Was kaum bekannt ist, die SPD-Fraktion

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