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Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed Stuhler
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formuliert im August tatsächlich einen Misstrauensantrag gegen Lothar de Maizière. Schrö der: »Und dann war die Frage, wer den vortragen soll. Da sagte Wolfgang Thierse: ›Ich kann nicht, ich habe da einen Termin in Bonn.‹ Das ist auch schon eine interessante Gewichtung. Dann haben sie noch mal den Gutzeit gefragt und mich, und ich glaube, vier Leute haben sie gefragt. Ich sagte: ›Was denkt ihr, warum ich zurückgetreten bin, damit ich euren Misstrauensantrag trotzdem noch hier verlese? Ich denke gar nicht daran!‹ Der Misstrauensantrag fiel aus, weil niemand den vortragen wollte.«
      Nachfolger im Amt des Fraktionsvorsitzenden der SPD wird Wolfgang Thierse:
      »Die große Koalition ist ja am Schluss auch deshalb geplatzt, weil wir nicht mehr den Eindruck hatten, dass die sozialdemokratischen Minister in der Regierung de Maizière überhaupt angemessen Einfluss nehmen konnten, dass Lothar de Maizière immer stärker von Kohl bestimmt wurde. Die Vereinbarungen galten nicht mehr so, und ich dachte, was ist denn das für ein Spiel? Wir können doch nicht in einer Regierung sein, in einer Koalition, die – nach unserer Wahrnehmung, vielleicht ist das ungerecht, aber sie war damals emotional ganz stark – nur noch instrumentalisiert ist von Helmut Kohl und seiner Regierung. Das war das Ende der großen Koalition. In diesem Zusammenhang habe ich dann nach dem Parteivorsitz der OstSPD auch den Fraktionsvorsitz übernehmen müssen.
      Oskar Lafontaine war Spitzenkandidat der SPD, Kanzlerkandidat. Er war es wieder geworden nach diesem schrecklichen, bestürzenden Attentat auf ihn. Das muss man immer berücksichtigen. Ich erinnere mich daran, dass ich als Spitzenmann der OstSPD mit ihm immer wieder gesprochen habe. Viele seiner Kritikpunkte an der Vereinigungspolitik waren ja sachlich gut nachvollziehbar. Das haben wir vielleicht nicht in der Schärfe, aber doch der Sache nach auch geteilt. Aber ich habe ihm immer versucht, beizubringen, flehentlich fast: ›Oskar, du musst diese Kritik einbetten in ein starkes und grundsätzliches Ja zur Vereinigung, in ein Ja zu den Ostdeutschen, sonst versteht die Mehrheit der Ostdeutschen das als eine Absage an sie, eine Absage an die Vereinigung.‹ Und genau das hat er nicht vermocht. Erstens emotional nicht und zweitens auch, weil er sich selber eine taktische Zwangsjacke angezogen hat. Nämlich, wie kann ich Wahlkampf gegen Helmut Kohl machen, wenn ich sozusagen mit der Grundrichtung der Politik übereinstimme? Ich muss ihn doch aus der Opposition heraus attackieren. Und aus dieser Zwangskonstellation hat er keinen Ausweg gefunden.«

    Schon im Juni hatte es erste Probleme und Verwerfungen in der großen Koalition gegeben. Markus Meckel stellt mit Verwunderung fest, dass die Informationen nicht so fließen wie sie sollten. Die ersten Entwürfe für den Einigungsvertrag, die im Büro Günther Krause entstanden waren, bekommt der Außenminister und Parteivorsitzende der OstSPD nicht etwa von seinem Koalitionspartner, sondern durch Indiskretion aus dem Kanzleramt in Bonn: »Es war dann so, dass wir eine Ministerratssitzung hatten, Anfang Juli, und danach sich die erste Runde für den Einigungsvertrag tra f. Und man hat das so organisiert mit de Maizière bzw. Krause, dass wir zwischen der Ministerratssitzung und der ersten Verhandlungsrunde gar keine Chance mehr hatten, mit unserem Staatssekretär zu sprechen, weil sie sofort begannen. Das heißt, die interne koalitionäre Festlegung von Positionen ist, ich würde schon fast sagen zum Teil bewußt, verhindert worden. De Maizières wichtigster Verbündeter in der SPD war Richard Schröder. Da gab es eine enge Beziehung, da gab es auch eine gute Informationsebene, aber zu anderen in der Regierung und auch in der Fraktion war dies nicht der Fall.«
      »Für uns war es wirklich ein Segen«, bekennt Günther Krause, »dass der Professor Schröder von der SPD so lange Fraktionsvorsitzender war. Sein Nachfolger, der ja dann auch mal zeitweise Bundestagspräsident war, hat nicht unbedingt nur die deutsche Einheit in seinem Lächeln gesehen, sondern er hat natürlich auch die Parteipolitik gesehen. Natürlich war das dann eine Schlacht. Die CDU hat immer mehr im Bundesrat verloren. Das war ein Riesenproblem. Die SPD wollte natürlich unbedingt über die Bundestagswahl Boden gutmachen.«
      Es gibt einige aus den Reihen der SPD, die nicht dafür sind, die Koalition zu verlassen. Dazu gehören Regine Hildebrandt und Markus

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