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Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed Stuhler
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Meckel. Auch Emil Schnell, der Postminister, bedauert das Scheitern der Koalition: »Wir waren der Meinung, wir haben eine Verantwortung übernommen. Es ist absehbar, dass es in ein paar Wochen oder Monaten vorbei ist, und das ist eigentlich kein Anlass, da abzuspringen aus partei- oder wahlstrategischen Gründen. Das gefiel mir nicht, und deswegen habe ich mich zwar der Disziplin damals untergeordnet, als es darum ging, dass die SPD-Minister die Regierung alle verlassen, aber für richtig habe ich es nicht gehalten und halte es auch heute nicht für richtig. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass auch de Maizière einen Wink mit einem Zaunpfahl bekommen hat von Kohl und dass auf CDU-Seite sicherlich Kräfte da waren, die Interesse daran hatten, dass man vor der Wahl klarere Blockstrukturen wieder hat.«
      Auf der ersten Fraktionssitzung der SPD nach dem Ende der Koalition, zu der der Premier geladen ist, beobachtet Höppner, dass de Maizière sich merkwürdig verhält und mit vielen Worten versucht, etwas zuzudecken: »Nach meinem Eindruck hat er zunehmend die Hoheit über seine eigenen Entscheidungen verloren.«
      Und Markus Meckel erinnert sich: »Ich habe es mehrfach erlebt, dass ich Dinge mit Lothar de Maizière besprochen habe bei ihm in seinem Büro, anschließend in mein Ministerium zurückfuhr und dann schon die Information da war, dass er das wieder zurücknimmt, was wir gemeinsam vereinbart hatten. Ich hatte damals immer wieder den Verdacht, dass er zwischendurch mit Bonn telefoniert hat.«
      Der parteilose Landwirtschaftsminister Peter Pollack ist überzeugt, dass es Druck aus Bonn gab: »Es war abgestimmt zwischen Herrn de Maizière und Herrn Kohl, dass möglichst die SPD aus der Regierung herausgedrängt werden sollte, damit die CDU die alleinige Partei war, die Deutschland in die Einheit führte am 3. Oktober.«
      Auch Reinhard Höppner glaubt, dass de Maizière Romberg nicht entlassen hätte, wenn er da nicht unter Druck gesetzt worden wäre: »Es wird immer über Romberg und immer über diese Zahlen geredet, die da im Zuge der Kosten der Deutschen Einheit genannt worden sind. Meine Überzeugung ist, es spielten im Hintergrund viel mehr Dinge eine Rolle. Es war eher der Auslöser als der wirkliche Grund. Und irgendwann mal war dann eine Situation, wo das für die SPD auch nicht mehr akzeptabel war, diese Art von Umgang. Es war dann schon ein wechselseitiges Zerwürfnis. Aber es war nie wirklich eines, weil wir alle wussten, wir müssen das gemeinsam stemmen. Wir mussten doch den Beitritt beschließen! Dazu brauchte man zwei Drittel. Das heißt, so richtig zerfallen konnten wir gar nicht!«
      Die freiwerdenden Ministerämter werden nicht neu besetzt. In der Regel führen die Staatssekretäre in den restlichen gut sechs Wochen bis zum Ende der DDR die Geschäfte weiter. Markus Meckel, der auch sein Amt verliert: »Der Vorwurf, den man Lafontaine damals machen musste, ist der gleiche, den ich Helmut Kohl mache, dass beide den Einigungsprozess instrumentalisierten für die Perspektive auf die nächste Bundestagswahl.«
      Lothar de Maizière bringt es, wie so oft, auf den Punkt: »Das Problem war, dass wir die Herstellung der deutschen Einheit in einem Wahljahr der Bundesrepublik zu vollziehen hatten. Wenn der liebe Gott noch mal die deutsche Einheit will, dann soll er sie bitteschön in ein Nicht-Wahljahr legen!«

    7. Das letzte Parlament

    »Dann mal gut zu Fuß!«
Lothar de Maizière

    Am 5. April trifft sich das erste frei gewählte Parlament der DDR, die Volkskammer, zu ihrer konstituierenden Sitzung. Zum ersten Mal auch wird eine Frau zum Präsidenten der obersten Volksvertretung gewählt: Sabine Bergmann-Pohl. Wie die meisten der neuen Amtsträger kommt auch die Fachärztin für Lungenkrankheiten überraschend zu ihrem Posten: »Ich wollte nicht, ich habe auch erst abgelehnt, weil ich gern als Ärztin gearbeitet habe. Dann ist sehr viel Druck auf mich ausgeübt worden, und irgendwann nach dem dritten oder vierten Gespräch habe ich dann nachgegeben und gesagt: ›Na gut, in drei Gottes Namen, ich kandidiere für die Volkskammer.‹ Ich hatte dabei aber immer im Hinterkopf, in meinem Beruf zu bleiben und das so nebenbei zu machen.
      Dann war eine Fraktionssitzung, ich glaube, es war die erste. Da ging es darum, dass der Fraktionsvorsitzende gewählt werden sollte. Es gab nur einen Kandidaten: Herrn de Maizière. Das war aus meiner Sicht ein bisschen naiv. Er war ja später

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