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Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed Stuhler
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volkseigene Betriebe, in das Eigentum der DDR in vielfältiger Weise. Aber es führte kein Weg dahin, das zu ändern. Das war offenbar eine politische Kernprämisse der Bundesregierung. Ich weiß nicht genau, wo die Wurzel war, aber sie ist sicher in den Kreisen zu suchen, die eben darauf hofften, sich möglichst gut an der Wiedervereinigung persönlich zu bedienen.«
      Es gibt einige Kritiker der Prämisse ›Rückgabe vor Entschädigung‹. Reinhard Höppner: »Rückgabe vor Entschädigung, an diesem falschen Prinzip sind meiner Meinung nach ein bisschen auch die ungeduldigen DDR-Bürger schuld. Wir hätten in der Volkskammer natürlich stoppen und sagen können, dass wir diese Frage erst einmal verhandeln müssen – dann hätten die lieben DDR-Bürger zum 1. Juli nicht ihr Westgeld bekommen. Man stelle sich mal vor, wir wären als Volkskammerabgeordnete nach Hause gekommen und hätten gesagt: ›Mit dem Westgeld, das wird noch nichts werden, weil, da ist was mit den Eigentumsfragen nicht geklärt.‹ Rich

    Gerhard Pohl, Wirtschaftsminister

    tig, wir waren auch überrascht worden von der ganzen Geschichte, aber die Ungeduld, schnell das Westgeld haben zu wollen, hat schon damals dazu geführt, dass Pflöcke eingeschlagen worden sind, um die wir nachher beim Einigungsvertrag nicht mehr herumkamen.«
      Auch Wirtschaftsminister Gerhard Pohl hält das Prinzip Rückgabe vor Entschädigung für falsch, es behindert Investitionen. Sein Einspruch wird abgelehnt: »Es wurde uns gesagt, dass das nicht relevant ist, es soll so durchgesetzt werden. Wohl war mir dabei nicht. Was dann später kam, hat gezeigt, dass wir nach wie vor den ironischen Satz, den wir zu sozialistischen DDR-Zeiten hatten, ›Ruinen schaffen ohne Waffen‹, den haben wir hier weitertransportiert in das neue System. Sie finden überall Ruinen, Wohnhäuser, um die sich noch immer irgendwelche Erben streiten, Fabriken sowieso und so weiter. Wir schaffen nach wie vor Ruinen ohne Waffen.«
      Lothar de Maizière hält die Eigentumsfrage für den »genetischen Geburtsfehler« der deutschen Einheit: »Diese Eigentumsfrage hat eigentlich den Einigungsprozess ziemlich vergiftet. Helmut Schmidt hat mal zu mir gesagt, ich hätte die größte ABM-Maßnahme für die deutsche Anwaltschaft damit geschaffen. Das lag nicht in meiner Absicht. Aber es bleibt dabei. Wie geht man nach 40 Jahren unterschiedlicher Entwicklung mit den Ergebnissen dieser Entwicklung um? Kann man reine Restauration betreiben, oder kann man das nicht? Wenn wir in die deutsche Geschichte gucken, ist eigentlich immer dann, wenn Restauration betrieben wurde, ob das nun nach dem Wiener Kongress war oder ob das nach dem Westfälischen Frieden war oder ob das nach Ludwig dem Frommen war oder wie auch immer; immer, wenn wir Restauration betrieben haben, ist die deutsche Geschichte nicht besonders glücklich gelaufen. Also wir haben sehr viel Kraft verbraucht, um Zurückliegendes aufzuarbeiten, statt zu sagen, wie kommen wir denn gemeinsam sinnvoll nach vorne. Aber eine Blaupause für die Herstellung der deutschen Einheit gab es nicht.
      Es gibt Enteignungen, wo der Unrechtsgehalt so unerträglich ist, dass man das nicht aufrechterhalten kann. Die bundesdeutsche Seite meinte: ›Wir müssen das Restitutionsprinzip zur Grundlage nehmen und dann Ausnahmen davon beschreiben.‹ Ich bin noch heute der Auffassung, wir hätten uns mit einem Entschädigungsprinzip, einer wie auch immer gearteten Gerechtigkeit besser genähert. Da kommt einer und sagt: ›Dies ist das Haus meines Vaters über fünf Generationen!‹ Und dann sagt man: ›Ja, danach war es das Vaterhaus einer anderen Familie über drei Generationen.‹ Und wo ist da nun Gerechtigkeit zu suchen? Ich vermag es nicht zu sagen. Zumal diese Rückgabe überwiegend an Westdeutsche gegangen ist. Wir haben also einen Vermögenstransfer Ost nach West gemacht, obwohl es eigentlich andersherum notwendiger gewesen wäre.«

    Eine ganz andere Frage ist der Umgang mit der Bodenreform. De Maizière noch einmal: »Die Eigentumsfrage war mit eine der kompliziertesten Fragen, wobei sich hinter dieser noch eine ganz andere Frage verbirgt: wie man nach Zeiten langen Unrechts mit Mitteln des Rechts Gerechtigkeit sucht, ohne das Recht wieder erneut zu verbiegen. Und das ist fast unmöglich! Und die Bodenreform ist so eine merkwürdige Situation. Vor 1945 wird zurückgegeben, 1945 bis 1949 nicht. Und da ist ja dann strittig geworden, ob das eine Bedingung

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