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Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed Stuhler
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befürchtet hatte.«
      Walter Siegert: »Dass es nicht mit dem Sozialismus geht, das war eigentlich schon dadurch beantwortet, dass die D-Mark eben Marktwirtschaft erforderte. Das Volkseigentum wurde in neue Rechtsformen geführt, und zunächst glaubte man auch, dass man mit der Treuhand-Holding – das sollte ja eine volkseigene Holding sein – das Volkseigentum erhält im Sinne von Eigentum, das der Gesellschaft dient und das nur schrittweise langsam privatisiert wird. Sanieren und dann privatisieren, so hatten wir uns das vorgestellt. Und so waren wir auch mit Rohwedder in Übereinstimmung.
      Aber es kamen eben dann Kräfte ans Werk, die in der Ära Breuel die Privatisierung der volkseigenen Betriebe in unverantwortlicher Weise vorangetrieben haben, so dass praktisch die industrielle Grundlage des Landes weitgehend zerstört wurde, einschließlich krimineller Energie, die dort am Werke war. Und mit diesen Schritten der Treuhand waren der vorherige Wunsch und die Möglichkeit, die ich durchaus real sah und an die ich heute noch glaube, aus der Substanz der DDR-Wirtschaft etwas zu machen für die Zukunft, dahin. Es gab ja Untersuchungen, die sind seriös und die wurden auch von Rohwedder anerkannt, dass etwa ein Drittel der Betriebe am Markt sich hätte behaupten können, weil sie modern ausgerüstet waren, dass ein weiteres Drittel sanierungsfähig war und dass man nur eigentlich über ein Drittel im Sinne von Abwickeln hätte reden müssen. Und gekommen ist es natürlich ganz anders.«
      »Ich habe mich verpflichtet gefühlt der DDR-Bevölkerung und auch der DDR-Wirtschaft«, sagt ein verbitterter Wirtschaftsminister Pohl. »Ich wollte nach Kräften so viel wie möglich des Industriestaates DDR, dieser volkswirtschaftlichen Struktur, erhalten. Und das war nicht mehr möglich. Die hatten also ein anderes Konzept. Das haben sie aber nicht gesagt, sie haben immer nur die Bevölkerung beschwindelt in Größenordnungen. Und sie haben weitergeschwindelt in Größenordnungen.«
      Klaus Reichenbach: »Ich habe damals als Minister gerade für dieses Problem Treuhand eine unheimliche Menge Zeit aufgewandt. Ich habe mich mehrere Nächte mit Rohwedder unterhalten, der ja vorgesehen war als Chef der Treuhand. Und das Konzept Rohwedder war ein ganz anderes Konzept als das, was Breuel dann später mit der Treuhand gemacht hat. Und ich bin fest davon überzeugt, das Rohwedder-Konzept hätte uns Zigtausend Arbeitsplätze mehr erhalten. Wir hätten einen viel weicheren Übergang in diesen Dingen erreicht. Ob das auf Dauer billiger gewesen ist, will ich jetzt überhaupt nicht beurteilen, das kann ich auch nicht beurteilen. Bloß der Crash, den uns dann die Frau Breuel zugemutet hat, der war natürlich an der Grenze des Möglichen und an der Grenze des auch noch Zumutbaren. Und es ist einfach im Nachhinein da vieles, was möglich gewesen wäre, niedergewalzt worden, weil gesagt worden ist – und die Philosophie hatte die Frau Breuel – es muss erst alles weggeputzt werden. Es muss alles in Schutt und Asche liegen, damit wir das Neue schneller aufbauen können.«
      »Ich hätte mir gewünscht«, so Walter Siegert, »dass man, so wie das Rohwedder im Ansatz hatte, größte Aufmerksamkeit der Sanierung der Betriebe gewidmet hätte. Rohwedder hat in einem Gespräch dem Walter Romberg mal gesagt: ›Ja, ich gehe aus von einer langfristigen Periode der Sanierung der Betriebe der DDR.‹ Und damit war schon klar, dass er also auch aus den Erfahrungen der Bundesrepublik sprach. Ich hätte mir gewünscht, dass mit gleicher Verantwortung und mit gleicher Sorgfalt nach dem 3. Oktober die Geschäfte der Treuhand betrieben worden wären wie nach dem 2. Weltkrieg, wo ja große Konzernbetriebe in Staatshand kamen, Salzgitter und andere, und wo auch im Vordergrund stand die Sanierung und nicht die Privatisierung. Man hat lange viel Geld in diese Betriebe investiert, und es war durchaus berechtigt, zu erwarten, dass man das mit den Betrieben der Treuhand genauso machen würde. Das war dann nicht der Fall, und dort ist der eigentliche große Niedergang passiert.«
      De Maizière: »Trotzdem glaube ich, dass die Treuhandanstalt besser ist als ihr Ruf und dass sie die einzige Möglichkeit war, diesen Prozess zu gestalten. Wir hatten zunächst auch sehr kluge Leute und sehr fähige Leute dabei. Für mich ist noch heute einer der großen tragischen Momente des Wiedervereinigungsprozesses, dass Detlev Rohwedder 1991 erschossen worden

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