Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed Stuhler
Vom Netzwerk:
zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums« beschlossen. Ihre Aufgabe sollte die Wahrung und Verwaltung des Volkseigentums im Interesse der Allgemeinheit sein. Das dazugehörige Treuhandgesetz geht zurück auf eine Initiative des Runden Tisches, ihr wesentlicher Initiator war Wolfgang Ullmann, Mitbegründer der Bürgerbewegung »Demokratie Jetzt«. Erster Präsident der Treuhandanstalt wird der DDR-Liberaldemokrat Peter Moreth, gefolgt von Reiner Maria Gohlke, der von der Bundesbahn kommt. Detlev Karsten Rohwedder wird im Juli Vorsitzender des Verwaltungsrates der Treuhand, einige Monate später ihr Präsident. Am 1. April 1991 wird er von einem RAF-Kommando am Fenster seines Düsseldorfer Wohnhauses erschossen. Danach wird die CDU-Politikerin Birgit Breuel Präsidentin der Treuhandanstalt.
      DDR-Wirtschaftsminister ist Gerhard Pohl, dessen Name Lothar de Maizière nur schwer über die Lippen kommt. Er nennt ihn gern »den Herrn aus Forst«. Pohl: »Ich wurde laufend informiert über meine Staatssekretäre, was also dort im Treuhandvorstand sich abgespielt. Wir machten auch die entsprechenden Vorschläge, Vorlagen und hatten durchgesetzt, dass es ein Gremium gab, bestehend aus acht Ossis und acht Wessis. Die acht Ossis waren ein Generaldirektor, das war einer vom Schwermaschinenbau, ein Leipziger, dann ein großer Betriebsdirektor und auf meinen ausdrücklichen Wunsch einige Mittelständler, auch einige aus der CDU-Hemisphäre und der LDPD, also den Freien Demokraten.

    1990, Berlin, Proteste vor dem ersten Amtssitz der Treuhandanstalt

      Rohwedder trat zum ersten Mal vor die Volkskammer Ende September. Da war ja nun der Beitrittstermin klar, der 3. Oktober. Und ich habe selten eine solch bornierte und arrogante Rede gehört vor Abgeordneten, wie dieser Herr Rohwedder sie abgelassen hat. Der hat der Volkskammer erklärt, so wie wir uns das vorstellten, mit Sanierung und Aktiengutscheinen für die Bevölkerung und so weiter, so ginge das alles gar nicht, und wir hätten sowieso keine Ahnung. Also ich hatte nicht den Eindruck, dass hier jetzt die gleiche Augenhöhe noch gegeben war, von der wir immer ausgegangen waren. Das war für mich ein erstes, sehr deutliches Signal. Das hat sich ja dann ge zeigt. Nach einem Jahr war kein Ossi mehr im Vorstand, die waren alle raus. Bei Unternehmen würde man das als kalte Übernahme bezeichnen, und das ist etwas, was natürlich die gesamte weitere Entwicklung hier im Osten Deutschlands negativ beeinflusst hat.«
      »Der Geldfluss von West nach Ost«, so Siegert, »ist nur zum Teil den Betrieben im Sinne von Sanierungen, im Sinne von Entwicklungen zugute gekommen. Da die Betriebe zum großen Teil in Teil betriebe westdeutscher Konzerne oder westdeutscher Großbetriebe umgewandelt wurden, ist diese Hilfe, die nach Ostdeutschland gehen sollte, plötzlich in den Kassen der großen Betriebe, die Eigentümer waren, gelandet. Das können Sie bei den Werften verfolgen, da ist es besonders augenscheinlich geworden.«
      »Die DDR hat die Hochseefischfangflotte für die Russen gebaut«, erregt sich Lothar de Maizière, »und die gesamte Wolgaschifffahrtsflotte. Unsere Betriebe bekamen in der Regel dafür von der Sowjetunion 66 bis 67 Prozent ihrer Kosten bezahlt. Der Rest wurde den Betrieben aus dem Staatshaushalt überwiesen. Nannte sich Exportstützung. Das war letztendlich eine verkappte Form von Reparationen, die wir bis zum Schluss gezahlt haben! Wir waren nicht mehr in der Lage, den Werften nun jedes Mal zig Millionen zu überweisen, nur weil sie mal wieder unter Preis verkauft hatten. Ich habe damals mit Jacques Delors sowohl in Straßburg als auch in Brüssel verhandelt und habe ihm gesagt, wir brauchen Schutzvorschriften für bestimmte Teile unserer Volkswirtschaft, für Stahl, Schiffsbau, Landwirtschaft, die Dinge, die letztendlich auch im Westen Europas fast planwirtschaftlich laufen, die müssen wir schützen, ansonsten werden sie die gesamten Fördermittel der Europäischen Gemeinschaft nach Osteuropa schicken müssen, weil wir dort über Nacht an eine der härtesten Währungen der Welt angekoppelt werden, und das werden unsere Wirtschaftseinheiten nicht überstehen. Er war hoch einsichtig, aber wir hatten einen Feind in dieser Frage, das war der Wettbewerbskommissar, Herr Leon Brittan, der im Auftrag seiner Chefin, Frau Margaret Thatcher, verhindert hat, dass wir überhaupt irgendwelche Übergangsvorschriften hatten. Und es ist so gekommen, wie ich

Weitere Kostenlose Bücher