Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit
ist, denn der hatte diesen Zielkonflikt Privatisieren und Rekonstruieren und Umstrukturieren begriffen und verinnerlicht. Dann setzte der Druck des Finanzministers ein unter Frau Breuel, und es wurde alleine unter fiskalischem Gesichtspunkt die Sache betrachtet und nicht mehr unter ökonomischen Gesichtspunkten.«
13. Eier für den Staatssekretär
»Die waren so aufgeheizt!«
Peter Pollack
Die DDR-Landwirtschaft ist, im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsbereichen, im Jahre 1990 auf einem guten Stand. Nach der zwangsweisen Kollektivierung in den 50er und 60er Jahren war die Produktivität ständig gestiegen. Der Landwirtschaftsbereich ist weit gehend autark, hat sogar eigene Baubetriebe. Hinter ihm steht eine leistungs- und exportstarke Landmaschinenindustrie. Auch die einzelnen Betriebe, große Einheiten, sind weitgehend autark.
Minister für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft im Kabinett de Maizière ist Peter Pollack, ein promovierter Diplomlandwirt. Wenn auch parteilos, ist er einer der SPD-Minister, denn die SPDFraktion hatte ihn für dieses Ressort vorgeschlagen: »Während in Westdeutschland ja der bäuerliche Familienbetrieb das Gesicht der Landwirtschaft beherrschte und auch die Politik eben seit vielen, vielen Jahrzehnten darauf ausgerichtet war, hatten wir in der DDR ja eine etwas raue Entwicklung zur Sozialisierung der Landwirtschaft hinter uns gebracht, und wir wussten nicht auf Anhieb, wie sich diese beiden unterschiedlichen Agrarverfassungen vereinigen lassen würden. Das war insofern noch besonders schwierig, weil es ja nun bei uns dominierend die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften waren. Diese Genossenschaften waren nun nicht gerade das liebste Kind der Bonner Regierung, und auch Herr Kiechle hatte immer so seine Probleme, wenn er das Wort LPG aussprechen sollte. Sie konnten sich darunter nicht viel vorstellen. Und wir hatten viel Arbeit damit, den Kollegen aus der Bundesrepublik klarzumachen, was eigentlich bei uns in der Landwirtschaft los ist, wie das organisiert ist und auch wie das alles rechtlich funktioniert. Herr Kiechle, der hat gedacht, wenn die Wiedervereini
Peter Pollack, Minister für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft
gung kommt und die Bauern wieder frei über ihre Grundstücke ver fügen können, dann wird jeder, der damals in die LPG gezwungen wurde oder freiwillig gegangen ist, dafür Sorge tragen, dass er wieder alleine wirtschaften kann. Diesen Zahn ließ sich Herr Kiechle nicht ziehen, das hat er bis zum Schluss geglaubt. Und er hat sich dann erst überzeugen müssen, dass das nicht so war. Das war gar nicht so sehr die Angst vor der Großraumlandwirtschaft, die zweifellos ja ihre großen Vorteile hat, sondern das war eigentlich ideologisch bei dem Kollegen geprägt. Der bäuerliche Familienbetrieb war ihm das A und O.«
Typisch für die DDR-Agrarstruktur ist ihre strikte Trennung in Tier- und Pflanzenproduktion. Das Bestreben des Landwirtschaftsministeriums ist es von Anbeginn, den Landwirten klarzumachen, dass es unter den neuen Bedingungen so nicht weitergehen kann und wird: »Wir haben denen gesagt: ›Freunde, versucht mal, dass ihr in kleineren Einheiten wieder Tier- und Pflanzenproduktion zusammenführt und überschaubare Einheiten bekommt. Wir brauchen nicht 10 000 ha große Betriebe.‹«
Es gibt in der DDR sogenannte Großviehanlagen, zum Beispiel eine Schweinemastanlage im ostthüringischen Dittersdorf bei Neu stadt (Orla). »Dort hatte es schon zu DDR-Zeiten viel Ärger gegeben, denn dort waren 180000 Schweine an einem Standort. Das ist ja alles nicht so schlimm, aber die Schweine, die fressen. Und wer viel frisst, ich will nicht sagen, der scheißt auch viel, aber im Prinzip ja. Es wurde also furchtbar viel Gülle dort produziert, und es war eine Menge Wald schon eingegangen, weil Gülle für den Wald Gift ist durch das Ammoniak. Dort bin ich zu meiner Zeit noch gemeinsam mit dem Umweltminister Herrn Steinberg hingefahren, und wir haben gemeinsam, mit einer großen Belegschaftsversammlung, diese Anlage dichtgemacht. Die sind bald verrückt geworden, aber das nützte alles nichts. Das war so ein Fall, wo nicht mehr zu verantworten war, dass das weitergeführt wurde.«
Karl-Hermann Steinberg: »Das waren Hallen von über 300 Meter Länge und 48 Meter Breite und 12 Meter Höhe. Davon gab es 17 oder 18 Stück, da wurden dann an die 20000 Tiere in einer solchen Halle gehalten. Man kann sich vorstellen, was von den Exkrementen
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