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Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed Stuhler
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für Emissionen ausgehen. Die Tiere standen ja auf verzinkten Eisenrosten, und die Gülle, die dann entstand, wurde in einer Kaskade von Klärteichen bis zu den Saaletalsperren geklärt.

  Ich bekam eine Eingabe, das hat mich damals ein bisschen überrascht, von der Talsperre Zeulenroda, dass die Zinkgehalte in der Talsperre so extrem hoch seien. Keiner konnte sich erklären, wo das Zink herkommt. Und beim genaueren Hinsehen wussten wir dann, das kommt von den Schweinen bzw. von der aggressiven Gülle, die die Verzinkung aus den Eisenrosten entfernte. Und das Zink kriegen Sie mit keiner Kläranlage mehr raus, das bleibt in dem Wasser. Organische Fracht konnten sie durch die Kaskade des Wassers herausbekommen, das war eine Verweilzeit von neun Monaten, das wurde schon kontrolliert. Aber das Zink nicht, das war eine schlimme Emission. Aber was viel schlimmer war, war die Ammoniakemission. Es gab, wenn ich die Zahl richtig erinnere, etwa 3000 Hektar Wald rund um diese Schweineanlage, die gestorben waren aufgrund der Ammoniakausgasungen. Als ich das gesehen habe, habe ich mit dem Herrn Pollack festgelegt, das Ding muss stillgelegt werden aus Emissionsgründen. Was wir damals nicht besprochen haben, und wir wollten auch keine Panik haben, in diesem Betrieb arbeiteten
    800 Frauen. Davon war mindestens die Hälfte in dem Alter, wo man eigentlich Kinder kriegt. Und die waren nicht im Wald, wenn die Ammoniakemissionen den Wald schon getötet hatten, sondern die waren im Werk, in den Hallen! Wir haben die Ammoniakkonzentration messen lassen, die standen bei etwa dem 10-fachen Ammoniakgehalt in ihrer Atemluft den ganzen Tag und haben dort gearbeitet wie in Leuna in der Ammoniakfabrik. Das war also eine nicht hinnehmbare Situation. Deshalb haben wir noch zu DDRZeiten das Ding stillgelegt.«
      Pollack: »Es gibt ja andere Beispiele: Wir hatten im ehemaligen Bezirk Magdeburg, in Sachsen-Anhalt, in Klein Wansleben, eine Bullenmastanlage mit 18000 Mastbullen, die ist auch weitergeführt worden. Diese Anlage habe ich dann in meiner Magdeburger Zeit, nachdem die Länder gebildet worden waren, mal mit dem Landwirtschaftsausschuss des Bundestages, also bundesdeutschen Abgeordneten, besucht. Da sind wir durch die Ställe gegangen, und wie die wieder herauskamen, sagten sie: ›Das halten wir gar nicht für möglich, dass es so etwas gibt.‹ Weil das eigentlich ideale Bedingungen waren. Inzwischen sind die Förderbedingungen für Rinderfleisch anders geworden, die Anlage ist umgerüstet worden auf Schweine.
      Da ist vieles passiert in der Zeit, schon 1990, aber mit Unterschieden. Es gab natürlich im Land Genossenschaften, die sich hingesetzt und gesagt haben, nun lassen wir uns mal überraschen, was da kommt. Aber diejenigen, die nun ein bisschen progressiv mitdachten, die haben das zum Glück anders gesehen, und die haben schon, ehe es Gesetz wurde, die Möglichkeiten genutzt und haben die Betriebe verkleinert und haben die Tier- und Pflanzenproduktion wieder zusammengeführt. Das war sehr vernünftig und hat eigentlich auch zu einem recht befriedigenden Ergebnis geführt.«
      Mit dem »Gesetz« meint Pollack das landwirtschaftliche Anpassungsgesetz. Es ist eines der wenigen Gesetze in der Landwirtschaft, das per Einigungsvertrag in das Gesamtdeutschland überführt wurde. Darin ist geregelt, dass jeder über seine Grundstücke verfügen darf, seinen Grund und Boden verpachten kann, oder, nach seinem freien Willen, entweder selber wieder bewirtschaften oder in einer Agrargenossenschaft oder einer anderen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts tätig sein kann.
      »Es gab am Anfang viele Probleme und Schwierigkeiten. Das Anpassungsgesetz ist ja dann erst im Juli von der Volkskammer beschlossen worden, so dass viele Monate Unklarheiten waren. Und das haben natürlich eine ganze Reihe von Glücksrittern und, ich möchte auch sagen, falschen Beratern, die ja damals die DDR überflutet haben, ausgenutzt und haben viel Angst in den Dörfern geschürt.«
      Unsicherheit und Angst vor der ungewissen Zukunft sind groß in den Dörfern der DDR. Und ausgerechnet in dieser Situation produziert die DDR-Landwirtschaft im ersten Halbjahr 1990 so viel wie noch nie.
      Pollack: »Als ich nach Berlin kam, war das Erste, was die mir alle sagten, also die Getreidelager sind alle voll. Wir müssen sehen, dass die leer werden. Das ging ja auch alles, aber diese vielen pflanzlichen Produkte wurden im ersten Halbjahr in tierische Produkte

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