Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit
umgesetzt. Und dadurch kam diese Riesenproduktionswelle zustande. Ich will nur ein Beispiel nennen: Die DDR hatte im Jahr
1988 im ganzen Jahr 800000 Schweine lebend exportiert. Wir haben allein im ersten Halbjahr 1990 850000 Schweine, also im halben Jahr, ins Ausland verbracht! Ich habe in dem Ministerium Riesenmenschenmengen beschäftigt, um den Aufkauf und vor allen Dingen den Transport ins Ausland zu organisieren, mit Zügen in die sozialistischen Bruderländer. Ich glaube, das ist bis heute noch nicht alles bezahlt, aber wir hatten gar keine andere Möglichkeit. Ein Grund war der, dass diese Produktion zu riesengroß war.«
Dazu kommt, dass der Absatz im eigenen Lande stockt. Der Westen überschwemmt die DDR mit seinen landwirtschaftlichen Produkten. Die sind nicht besser als die einheimischen und sogar teurer, aber schöner verpackt. Und es tritt der paradoxe Zustand ein, dass die Bevölkerung die Westwaren kauft und die eigenen liegen lässt.
»Jetzt saßen die auf ihren schlachtreifen Schweinen fest und mussten die weiterfüttern«, erinnert sich Klaus Reichenbach an die dramatische Situation. »Jetzt gingen die Schweine von schlachtreif
100 kg auf 120, 125 kg. Das hatte zur Folge, dass die Technologie der Schlachterbetriebe nicht mehr hinhaute, weil der Speckanteil dieser Schweine wesentlich höher war und die ganzen Maschinen nicht mehr effektiv funktionierten. Da gab es natürlich Riesenprobleme und Riesenproteste. Dann sind diese Schweine in die Sowjetunion gegangen.«
»Die Geflügelproduzenten haben eigentlich den geringsten Kummer gemacht«, sagt Peter Pollack. »Was an Eiern produziert wurde, wurde getrocknet und ging als Trockenei in die ganze Welt. Sicher ist auch eine Menge verkommen, aber so viel nicht. Vor allen Dingen, bei Geflügel ist das alles unproblematisch. Die haben ja ein kurzes Leben. Das ist ja nicht so wie bei Schweinen oder, noch schlim mer, bei Rindern, dass sie im Grunde genommen Jahre oder zumindest Monate vorher die biologischen Prozesse in Gang setzen müssen. Bei Geflügel können Sie ganz schnell Bestandsregulierungen vornehmen.
Aber großen Kummer zum Beispiel haben die Imker gemacht. Die kamen eines Tages mit Bienenwagen vor das Ministerium gefahren und drohten, wenn wir nicht nach wie vor den Honig für das viele Geld abkaufen würden, würden sie ihre ganzen Bienen dort freilassen. Da haben wir gesagt: ›Dann müsst ihr sie freilassen.‹ Und dann sind sie wieder abgezogen.
Wir hatten ja in der DDR, in Meißen, den großen Honigaufkau f. Es war die einzige Stelle, die den Honig kaufte, verarbeitete und wieder in den Handel brachte. Die waren bis unter die Halskrause voll Honig. Und wir waren ja nicht mehr in der Lage, diese hohen Aufkaufpreise für den Honig zu zahlen. Wir machten das ja so wunderbar, wir bezahlten für das Kilogramm Honig 5 Mark, und der Bürger, der dann den Honig im Geschäft kaufte, zahlte dafür 2,50 Mark. Das war ja wie auch beim Spargel und ähnlichen Produkten. Ich musste damals die Schlussrechnung des Ministeriums für das Jahr 1989 noch unterschreiben. Da ist mir so die Zahl hängengeblieben: Das waren 230 Milliarden Ostmark Stützungen für Lebens mittel. In einem Jahr! Und das ging eben nicht mehr. Wir konnten zwar theoretisch bis zum 30.6. noch die hohen Preise zahlen, und wir haben das teilweise auch noch gemacht, solange wir mit den Produkten noch etwas anfangen konnten. Es hatte sich bereits im Herbst 1989 ganz deutlich angezeigt, dass Zigtausende von Schweinen und Rindern, die die Landwirtschaftsbetriebe dem Handel anboten, nicht mehr abgenommen werden konnten, weil die Produktion so hoch war und keine Möglichkeit für längere Einlagerung bestand.«
»Mir wurde gemeldet«, so de Maizière, »dass die Bauern drauf und dran waren, das Getreide auf dem Halm anzuzünden, weil sie keine Abnehmer mehr fänden. Oder es gab die Bilder im Fernsehen von den Bauern, die mit der Forke ihre Schweine totschlugen, weil der Markt weggefallen war. Es fehlte uns Schalck-Golodkowski 25 , der die Schweine, entgegen allen EG-Bestimmungen, in den westeuropäischen Markt einschleuste. Da haben wir damals mit dem Bundeslandwirtschaftsminister Kiechle und seinem Staatssekretär Kittel innerhalb weniger Tage Subventionskäufe eingeleitet, um den Markt zu entlasten von diesen Riesenmengen. Die DDR brauchte pro Jahr etwa sieben Millionen Tonnen Getreide für Brot, für Futter, Bier und für was man so Getreide braucht, und der liebe
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