Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit
sonstige Versorgung besser war.
Aber das waren Dinge, die getan werden mussten. Mit der Auflösung der Staatssicherheit mussten natürlich auch deren Haftanstalten aufgelöst werden. Das heißt aber nicht, dass während der Amtszeit von de Maizière noch politisch Verfolgte in den MfS-Haftanstalten saßen, sondern da saß Bankenkriminalität, da saß Schwerpunktkriminalität, die man auch heute sicher verwahrt.«
Die Kriminalität in der Endphase der DDR übersteigt nicht das normale Maß. Ganze elf Banküberfälle werden dem Innenministerium bekannt. Es gibt allerdings einige dramatische Vorkommnisse mit sowjetischen Soldaten, es gibt Desertionen von Offizieren. De Maizière: »Da wurde von uns erwartet, dass wir die einfangen und denen zurückbringen. Da habe ich in Moskau gesagt: ›Mitnichten! Bei euch steht auf Desertion die Todesstrafe! Ich werde niemals ausliefern an ein Land, wo für das Delikt, das dort in Rede steht, die Todesstrafe verhängt werden kann.‹«
»Es war immer eine unserer größten Sorgen, es könnte irgendwelche Übergriffe gegen ehemalige Stasi-Offiziere oder eben auch gegen die sowjetischen Truppen in der DDR geben«, erklärt Richard Schröder. »Wenn einer am Laternenpfahl hängt, dann werden sich die anderen, die das betrifft, das nicht einfach gefallen lassen. Das klingt vielleicht ein bisschen übertrieben, aber wir haben in der Tat viele Gedanken und viel Besorgnis darauf verwendet, dass die Sache friedlich bleibt.
Ich erinnere mich noch an zwei Vorkommnisse: Das eine Mal hat in Bernau der bei der Kommunalwahl am 6. Mai neugewählte Bürgermeister den sowjetischen Standortkommandanten abgesetzt, weil durch die Garnison Abwässer in den Fluss geleitet worden waren. Und da ist de Maizière umgehend mit dem Auto hingefahren und hat dem Standortkommandanten gesagt, er möge sofort vergessen, was der Bürgermeister gesagt hätte, er hätte dazu gar keine Befugnis. Der Kommandant war auch vernünftig und hat wahrscheinlich gedacht, die spinnen ein bisschen, wie können die den Standortkommandanten absetzen.
Das andere Mal ist vor einer sowjetischen Kaserne ein Wachposten erschossen worden. Da haben wir die größten Sorgen gehabt, dass das ein Signal sein könnte. Es stellte sich aber heraus, dass die Schützen über die Oder gekommen und auch dahin wieder verschwun den sind. Da ist uns ein Stein vom Herzen gefallen, dass wir weiterhin davon ausgehen können, dass kein DDR-Bürger die Absicht hat, sowjetische Soldaten zu erschießen. Das war aber für uns eine wahre Schrecksekunde! Was hätte denn die sowjetische Seite gemacht, wenn Zivilisten aus der DDR anfangen, auf sowjetische Soldaten zu schießen? Das war also schon eine happige Sache, die weder in Ost noch in West in dem Maße wahrgenommen worden ist. Immer die Angst, dass irgendetwas aus dem Ruder läuft. Das ist nicht geschehen, da bin ich sehr dankbar.«
»Es gab schwere Verbrechen«, ergänzt Diestel, »von dem einen oder anderen Angehörigen der russischen Streitkräfte, der bewaffnet abgehauen und der dann letztendlich festgenommen oder erschossen wurde. Aber ansonsten, toi, toi, toi, ist für uns diese Zeit sehr glimpflich und sehr diszipliniert über die Bühne gegangen. Es gab keine großen Straftaten, die vielleicht die Rechtsgeschichte danach noch bewegt hätten.
Aber die nachrichtendienstlichen Arbeiten gingen ja weiter. Die richteten sich ja auch gegen die De-Maizière-Regierung. Ich kann mich erinnern, dass ich in den Räumlichkeiten meines Innenministeriums mit einer großen ausländischen Zeitung ein Interview geführt habe. Da saßen drei Journalisten, ich will das Land mal nicht benennen, um keine Komplikationen entstehen zu lassen. Ich wurde mitten im Gespräch vom Leiter meiner Personenschutzstruktur aus dem Gespräch gerufen, und der sagte mir: ›Herr Minister, das sind keine Journalisten! Den einen kenne ich als stellvertretenden Minister für Staatssicherheit eines befreundeten sozialistischen Landes.‹ Die haben ihre Kinderspiele weitergeführt.
Ich kann mich erinnern, in dem Separee meines Innenministerzimmers saßen zwei, drei russische KGB-Generäle, die Chefs des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der Staatssekretär aus dem Bonner Innenministerium. Da saßen Leute an einem Tisch, die sonst nur aus den nachrichtendienstlichen Strukturen wussten, dass es diesen und jenen gibt. Die benehmen sich ja ganz eigentümlich. Aber das waren wichtige Gespräche, damit
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