Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit
wurde Vertrauen geschaffen, damit wurden persönliche Kontakte entwickelt, die dann später von der Bundesregierung auch genutzt werden konnten, um dann letztendlich auch den Abzug der russischen Truppen ohne Komplikationen zu absolvieren.«
Auf dem Territorium der DDR gibt es 380000 sowjetische Soldaten. Zuzüglich der Sicherstellungskräfte und Familienangehörigen sind das 600000 Menschen. Das bedeutet, dass ungefähr auf 28 DDR-Bürger ein Sowjetbürger kommt. Es ist das größte Truppenkontingent, das jemals von einer Besatzungsmacht über einen so langen Zeitraum im Ausland stationiert war! Das Einleiten des Abzugs dieser gewaltigen Maschinerie, der bis 1994 abgeschlossen wurde, fällt in die Zeit der Regierung de Maizière.
Werner Ablaß: »De Maizière hat mir am 23. Juli den Auftrag gegeben, eine Arbeitsgruppe zusammenzustellen, die den Abzug der sowjetischen Truppen aus der DDR vorbereitet, wissend, dass die deutsche Einheit schneller kommt, um dann auch der Bonner Seite, die ja für uns nicht tätig werden konnte, schon was in die Hand geben zu können. Ich habe dann einen Generalleutnant, der unser Vertreter im Oberkommando in Moskau war, zurückgeholt, ihn zum Chef dieser Gruppe von rund 50 Mann gemacht, die dann ab 3. Oktober unter General Foertsch den Abzug begleitet haben. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir auch nicht wissen, dass entschieden wird, dass die Westalliierten gesondert verabschiedet werden.
Für uns war wichtig zu wissen, wie viele Kilometer illegaler Panzerstraßen haben wir? Werden die zum Abzug benutzt oder nicht? Welche Häfen kommen in Frage? Und wie geht es überhaupt los, wo beginnen wir mit dem Abzug?«
Karikatur von Peter Muzeniek, Titelmotiv der »Neuen Berliner Illustrierten« am 6. Juli 1990
»Als DDR-Bürger«, sagt der Außenminister, »war das immer mein Herzenswunsch, dass die Sowjets abziehen. Aber es braucht gleiche Augenhöhe für die Alliierten, auch für das Selbstwertgefühl der Sowjets. Und so habe ich dann in Berlin den Vorschlag gemacht, dass alle Alliierten, nicht erst nach dem Abzug der Sowjets vier Jahre später, sondern sehr schnell, mit der Vereinigung Berlin verlassen, damit eindeutig deutlich wird, alle waren in Berlin, alle verlassen Berlin. Das heißt, an einem symbolischen Punkt, sicherheitspolitisch spielte das keine Rolle, aber an einem Punkt sind alle gleichermaßen betroffen.
Dieser Vorschlag wurde von den westlichen Alliierten völlig abgelehnt, auch von Genscher. Übrigens dann auch, wie ich hörte, von dem Regierenden Bürgermeister, von Walter Momper. Mein Fehler war, dass ich diesen Vorschlag vorher nicht ordentlich abgesprochen hatte, auch nicht mit ihm. Aber die Logik finde ich nach wie vor gar nicht so falsch.«
Die Finanzierung muss ohnehin die Bundesrepublik stemmen. Nach zähen Verhandlungen mit Schewardnadse wird am 10. September in Moskau der Durchbruch erzielt: Die Sowjetunion erhält
12 Milliarden DM und zusätzlich einen zinslosen Kredit über drei Milliarden DM.
Lothar de Maizière: »Falin hat zu mir gesagt, Gorbatschow hätte die DDR viel zu billig verkauft. Und ich sagte darauf: ›Wissen Sie, Herr Falin, wenn ihr 1975 oder 1985 die DDR verkauft hättet, 1985 hätte der Bundeskanzler euch locker 200 Milliarden gegeben. An das Verkaufen habt ihr ja aber erst gedacht, als aus uns nichts mehr herauszuholen war, als wir pleite waren!‹«
Am 6. Juni wird die RAF-Terroristin Susanne Albrecht in Berlin verhaftet. Sie lebt unter dem Schutz des MfS und mit falscher Identität seit zehn Jahren in einer Marzahner Neubauwohnung, ist verheiratet und hat ein Kind. Eine Woche später wird Inge Viett in Magdeburg festgenommen, die hier ebenfalls unter falschem Namen lebt. Im Laufe des Monats Juni werden noch weitere acht RAFTerroristen auf dem Territorium der DDR enttarnt und verhaftet.
Diestel: »Wir alle waren überrascht, dass es derartige Aktivitäten auf unserem Territorium gegeben hat. Ich habe aus Polizeikreisen zwei, drei Tage nach meinem Amtsantritt ein Dossier erhalten, aus dem zentralen Kriminalamt, aus dem sich ergab, dass wohl zwei Terroristinnen sicher im ehemaligen Gebiet der DDR untergebracht sind und wohl bis zum heutigen Tage noch leben. Ich habe dann deren Festsetzung veranlasst und eine Sonderkommission in diesem zentralen Kriminalamt gebildet, die sich damit beschäftigt hat.
Dann ist es zu diesem Komplex der doch sehr, sehr umfangreichen Festnahmen ehemaliger RAF-Straftäter
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