Die letzten schönen Tage
Kater zu handeln, der längst nicht alles akzeptierte,
was auf dem Markt war. David kaufte, um seine Ruhe zu haben, das Beste vom
Besten. Aber Johnson wollte nicht fressen. Freunde, die David um Rat fragte,
meinten, er müsse Geduld haben. Käme der Hunger, käme der Selbsterhaltungsinstinkt.
Doch vier Tage lang blieb die Schüssel mit dem Sheeba unberührt, bis es schon
roch und David eine neue Packung Hühnchen öffnete. Er probierte es auch mit
Thunfisch und Lachs, mit Leber und Gänsebrust, aber an nichts fand Johnson
Gefallen. Wenigstens trank er hin und wieder etwas Wasser. Widerwillig nahm
David ihn auf seinen Schoß und streichelte ihn, es war offensichtlich, daß der
Kater unter Jules Abwesenheit litt. Da müsse man eben eine neue emotionale
Bindung herstellen, rieten die Freunde, dann würde er irgendwann schon wieder
fressen. Johnson ließ sich die Streicheleinheiten zwar gefallen, aber in
Begeisterung brach er nicht aus, schnurrte nicht einmal, lag lethargisch auf
Davids Schoß und stierte ins Leere. Er war ein schönes und gesundes Tier, agil
für sein Alter, und bei normalem Verlauf würde er noch vier bis acht Jahre zu
leben haben. Am fünften Tag der Nahrungsverweigerung bekam David Panik. Seine
Mutter würde ihm nie verzeihen, wenn das Tier unter seiner Aufsicht einginge.
»Nie« klang vielleicht etwas übertrieben, aber Jule hing sehr an dem Tier,
behandelte es wie ein Vollmitglied der Familie.
David rief beim tierärztlichen
Notdienst an, bat um Hilfe, man sagte ihm, er solle Johnson vorbeibringen. Aber
David schaffte es nicht, den sich sträubenden Kater in seine Transportbox zu
bugsieren, also mußte am Abend ein Tierarzt in die Wohnung kommen. Der junge
Mann untersuchte Johnson und stellte keinen physischen Defekt fest. Ob man ihn
nicht irgendwie zwangsernähren könne, fragte David. Da konnte der Arzt ein
Grinsen nicht unterdrücken, redete was von der Verhältnismäßigkeit der Mittel
und daß Katzen ihren eigenen Kopf haben. Und für so eine Auskunft, fragte
David, hundertfünfzig Euro Anfahrtshonorar?
Der junge Mann seufzte
entschuldigend.
Schließlich vertraute sich
David seinem Bruder an, womit eine gewisse Gefahr verbunden war, denn Arved und
Jule telefonierten hin und wieder, und die Sache mußte unter allen Umständen
geheim bleiben.
5. Februar
– Johnson will nicht
fressen. Falls er es sich nicht noch anders überlegt, wird er sterben. Aber
wenn ich das Mama erzähle, bricht sie den Urlaub ab, kehrt nach Hause zurück.
Ich halte sie dessen für fähig.
– Du mußt es ihr erzählen,
denke ich.
– Das werde ich nicht tun. Ich
hab sie zu diesem Urlaub mit Engelszungen überredet. Sie hat sich ewig nichts
gegönnt. Und sie ist ja nicht alleine in Florida, sie wird von einer Freundin
begleitet. Ich halte unsere Mutter für fähig, daß sie ihre Freundin zurücklassen
würde, nur um das Leben dieser Scheißkatze zu retten, die schon elf Jahre alt
ist und ohnehin nicht mehr lange leben wird.
– Kann man das Vieh nicht
irgendwie zwangsernähren?
– Genau das hab ich gestern
einen Tierarzt gefragt. So was ist anscheinend nicht vorgesehen. Er sagte was
von Verhältnismäßigkeit der Mittel.
– Gibst du ihm vielleicht zu
wenig Zuneigung?
– Ich täusch ja schon
Zuneigung vor, so gut ich kann. Und der Kater läßt sich auch von mir kraulen,
er hockt sich, wenn ich fernsehe, auf meinen Schoß und maunzt. Aber er frißt
einfach nicht.
– Von Katzen kenn ich solche
Geschichten nicht, höchstens von Hunden.
– Ist eben eine sehr hündische
Katze. Noch ein paar Tage, und das Tier ist tot. Das wird Ma im Nachhinein den
ganzen Urlaub verderben. Und mir wird sie die Schuld geben.
– Hast dus schon mit Fisch
probiert?
– Mit Fisch, mit Hühnchen, mit
Felix Senior, Whiskas DeLuxe, Kitekatt, mit allem. Johnson will nicht fressen.
– Falls er stirbt, sagst du
einfach, daß ihn ein Auto überfahren hat.
– Blödsinn, das Vieh betritt
nicht mal den Balkon, geschweige denn eine Straße.
– Vielleicht solltest du ihm
eine Katzendame besorgen?
– Johnson ist kastriert.
Wahrscheinlich ahnt er nicht einmal, daß es außer ihm noch andere Katzen gibt.
Ich frage mich gerade, ob so ein Bewußtseinszustand zu beneiden oder zu
bedauern ist.
– Das weiß ich leider auch
nicht.
– Und wenn er stirbt, was mach
ich mit ihm?
– Ihn irgendwo im Park
begraben?
– Der Boden ist tiefgefroren,
aber darum gehts doch nicht. Ich werde Ma sagen müssen, daß ich an ihrem
Haustier versagt
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