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Die letzten schönen Tage

Die letzten schönen Tage

Titel: Die letzten schönen Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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ich viel und gern.
Irgendwann dann wußte ich alles, und die Sätze, sogar in den guten Büchern, die
Sätze, die sich so viel Mühe gaben, originell zu wirken, die oft kunstvoll
gedrechselt waren und raffiniert ausgedacht, wurden schlaff und redundant,
zielten alle auf denselben Schluß: Genieße dein Dasein, es ist kurz, füttre den
Hund, und gib dem Bettler Geld. Spare, so hast du in der Not, liebe deine
Auserwählte, vielleicht auch zwei, aber stells geschickt an, und wenn das
Unabänderliche kommt, füg dich mit einem Lächeln darein. Hör gute Musik, nicht
den Mainstream für die Idioten, und verschwende deine Zeit nicht mit Klimbim.
Such dir immer neue Herausforderungen, hör nie auf zu lernen. So stehts in
allen Büchern (außer in den krank-perversen), mehr oder minder komplex
ausgedrückt. Oder durch die Blume, in einem Gleichnis. Die Botschaft der Bücher
lockt mich nicht mehr aus dem Ofen hervor, in dem ich brenne. Mit Filmen geht
es mir ganz ähnlich. Das Zoofernsehen bietet immerhin eine unverhüllte
Banalität, deren pädagogischer Wert nicht zu unterschätzen ist. Es geht darum,
zu sein, gefüttert und gestreichelt zu werden. Der Rest besteht aus Feinheiten,
die einer gewissen Überzüchtung zugeschrieben werden können. Ich wäre gern ein
Tier und simpel gestrickt. Kein hochentwickelter Primat, vielleicht ein
Goldfisch, der ein Gedächtnis von nur acht Sekunden Dauer besitzt. Danach ist
wieder alles neu und groß.
    *
    So, Mail an die
Mutsch ist geschrieben, Zeitung hab ich gelesen, der Bikini ist gekauft,
weinrot und wunderschön und etwas überteuert. Ich hatte eine Schnapsidee. Greta
und Ralf sind ja süchtige Zocker – und ich kam am Dragonara vorbei, dachte mir,
kurz hineinzusehen, vielleicht hocken sie am Spieltisch und versuchen das Geld
zu erspielen, das sie diesen Gangstern offensichtlich schulden. Aber es war
wenig los im Casino – und nichts von den beiden zu sehen. Ich setzte mich an
die Bar, bestellte den Erdbeer-Daiquiri, der mir beim letzten Mal so gut
geschmeckt hat. Es war erst kurz vor vier, und ich hatte Lust auf Alkohol! Als
ich bezahlen wollte, sagte mir der Barkeeper, der Drink sei bereits bezahlt,
und seine Augen machten einen kurzen Schwenk nach rechts. Ich sah in ein Nicken
und Lächeln und mußte einen Moment nachdenken, bevor ich den Mann
wiedererkannte. Es war der Malteser, um die fünfzig, braun gebrannt und
kräftig, in Jeans, und er trug diesmal ein königsblaues Polohemd, dazu paßten
die braunen Slipper besser als zu einem roten T-Shirt. Ich hatte gar nicht
gemerkt, wie er am Tresen, auf dem von mir entferntesten Sitz, Platz genommen
hatte. Ich wollte mich nicht so einfach von ihm einladen lassen und bat den
Barkeeper, das rückgängig zu machen. Eine vielleicht übertriebene Reaktion, der
Mensch hatte mich ja nicht belästigt, hielt sogar ganz brav Abstand, und als
ich mit dem Barkeeper sprach, kamen mir auch bereits Bedenken, eine an sich
freundliche Geste, die viel weniger aufdringlich war, als ich sie im ersten
Moment beurteilt hatte, so zickig und abschlägig zu bescheiden. Der Barkeeper
flüsterte mir zu, daß es schon okay sei, mein Gönner sei der Chef hier, der
Casinomanager höchstpersönlich. Der Drink gehe quasi aufs Haus. Das änderte die
Lage natürlich. Ich hob das beinah leere Glas, nickte hinüber, machte eine
dankbare Geste und wollte gehen, als mir etwas einfiel. Im Casino muß man sich
ja registrieren lassen und seinen Perso vorzeigen, der dann gescannt wird. Das
geschieht, um Besucher fernzuhalten, denen ein Spielverbot auferlegt ist, aus
welchen Gründen auch immer. Statt das Gebäude zu verlassen, stelle ich mich
also hin vor diesen Menschen und gebe ihm die Hand, stelle mich als Kati vor
und lerne so Roger kennen. Roger zeigt sich sehr aufgeschlossen, als ich ihm
erzähle, daß zwei gute Freunde von mir verschwunden sind, ich nannte deren
Namen, er kannte beide, wußte sofort, von wem ich rede. Greta and Ralf? Of
course. Illustre Bestandteile der hiesigen Spieler-Szene. Ob man feststellen
könne, fragte ich Roger, wann die beiden zum letzten Mal dieses Casino betreten
hätten? Er grinste. Das Detektivspiel schien ihm zu gefallen. Follow me. Wir
gingen in sein Büro. Er setzte sich an den Computer und meinte, es sei für ihn
ganz einfach festzustellen, ob die beiden in der letzten Woche irgendeines der
vier maltesischen Casinos betreten hätten. No problem. Dauernd befürchtete ich,
Roger würde für seine Bemühungen ein Entgegenkommen

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