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Die letzten schönen Tage

Die letzten schönen Tage

Titel: Die letzten schönen Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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verlangen, aber er schien
nett zu sein, einfach nur freundlich. Ralf habe in zwei der Casinos
Spielverbot, sagte der Computer, das wußte ich bereits. Und nein, weder er noch
Greta hätten in den letzten sieben Tagen am Spieltisch Platz genommen. Nicht
auf dieser Insel. Und das sei merkwürdig, denn zuvor habe es kaum einen Tag
gegeben, an dem sie nicht gespielt hätten. Roger meinte, er kenne die
beiden ganz gut, sie seien angenehme Menschen, besonders Greta. Ralf auch, es
sei denn, er verlöre viel, habe eine Bad
Luck Roll , da könne er
schon mal unangenehm auffallen. Ob ich mir Sorgen um sie machen würde? Yes,
indeed. Sagte ich. Dann kam, was ich die ganze Zeit über befürchtet hatte.
Roger strich mir mit zwei Fingerspitzen durchs Haar. Don’t worry. Ich
verabschiedete mich, höflich, aber eindeutig, ging schnurstracks zur Tür und
lief durch die Halle. Vorbei an den zweideutigen Blicken des Barkeepers.
    *
    Sie treibt sich
immer noch herum. Mir blieb nichts anderes übrig im Kampf gegen die Langeweile,
ich nahm noch mal das Handy, sah in Katis Nachrichtenspeicher. Das schlaue
Biest hat, wie erwartet, fast alles gelöscht, was man an sie gesendet hat. Nur
die von ihr versendeten Nachrichten hat sie vergessen. Da war eine, an
einen gewissen David, die bestand aus nur zwei Buchstaben: JA .
    Ich wurde wirklich sauer.
Diese zwei Buchstaben, dieses Bekenntnis, hätte ich so gerne mal gehört, aus
ihrem Mund, an mich gerichtet. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie die dazu
passende Frage lautete. JA ICH WILL hätte zu feierlich, zu pathetisch geklungen.
Ein schlichtes JA wird diesen David überwältigt haben. Sie hat
nie von einem Freund oder Bekannten dieses Namens erzählt. Das macht die Sache
vollends klar. Kati und ich – wir leiden an Gefühlsarthrose, wenn die
Gelenkflüssigkeit fehlt und Knochen blank auf Knochen reibt. Wir sind an dem
Punkt angelangt, wo man einander die Wahrheit sagen muß, ohne Filter, ohne
Stützrad. Das tut so höllisch weh und muß doch sein. Wer ist David? – werd ich
sie fragen. Ich weiß noch nicht wie, aber das ergibt sich schon. Danach verlass
ich sie und fliege nach Berlin zurück. Soll sie verrotten in ihren Lügen. Wär
sie nur schon hier und unversehrt, in Sicherheit. Jede Sekunde, in der ich auf
sie warte, kommt einem Stich ins Herz gleich.
    *
    Serge schloß mich
fest in seine Arme, als ich heimkam, ihm standen Tränen in den Augen. Solche
Sorgen habe er sich gemacht. Und ich hätte mich doch mal melden können. Ich
entschuldigte mich, weil ich mein Handy auf dem Küchentisch liegen gelassen
hatte, da meinte er, es gebe ja immer noch Münztelefone. Aber ich weiß deine
Nummer gar nicht auswendig, verteidigte ich mich, da sah er ganz erstaunt
drein, als ob es Pflicht wäre, heutzutage noch Telefonnummern auswendig zu
wissen. Wenn man zu zweit im Ausland unterwegs ist, sei das schon so,
insistierte er, es könnten sich ja schnell mal Situationen ergeben, Notfälle.
Es könnten Leben davon abhängen. Ich bat um ein Beispiel. Er meinte, ich solle
nicht spitzfindig werden. Ich tat ihm dann den Gefallen und lernte seine Nummer
auswendig. Vielleicht hat Serge nicht so ganz unrecht. Später am Abend sprachen
wir über unsere Liebe, er fragte, ob ich grundsätzlich etwas gegen ein Kind
hätte. Nein, sagte ich, grundsätzlich nicht, aber unter diesen Umständen schon.
Er sei doch wieder ganz gesund, behauptete er. Das gestand ich ihm zu, obwohl
ich, ehrlich gesagt, davon nicht so hundertprozentig überzeugt bin. Aber unser
beider berufliche Lage ist doch sehr ungeklärt. Jedes Kind hat das Recht, in
stabilen Verhältnissen aufzuwachsen. Serge wurde etwas trotzig. Im ersten Jahr
als Mutter müsse ich sowieso nicht arbeiten, sondern für das Kind da sein, und
er – er habe doch eine ganz gut bezahlte Stelle. Bist du sicher, daß du die
noch hast? Da wurde er still. Wenn nicht, dann finde er was anderes, er habe
sich einen gewissen Ruf erworben in seiner Branche. Wie wir das Kind denn
nennen wollten? Ich sagte, wenn überhaupt, dann möchte ich ein Mädchen. So
dürfe man nicht denken, sagte er, man müsse es nehmen und lieben, wie es kommt.
Sonst belade man das Kind von Anfang an mit einer Enttäuschung. Da hat er schon
recht. Wir suchten dann zum Spaß schöne Namen: Julia, Anna, Valerie, Mayla,
Rike, Carmen, Luna, Sylvia, und wenn es ein Sohn wird, schlug ich Vinzent oder
Franco vor, das sind zwei der wenigen Männervornamen, die mir gefallen. Serge
fand beide nicht so berauschend, er

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