Die letzten schönen Tage
voller Reue und Ehrlichkeit.
Das hat mich bewegt, obwohl er ja im Grunde recht hatte mit seiner Vermutung.
Aber das hab ich ihm nicht eingestanden, sonst macht er sich nur neue Gedanken.
Wir waren dann auf dem Markt und haben frischen Tintenfisch gekauft, um ihn auf
der Terrasse zu grillen. Das war herrlich. Ich komme mir gar nicht mehr wie
eine Touristin vor. Als wir, beladen mit Einkäufen, in die Wohnung
zurückkehrten, stellten wir fest, daß jemand sie während unsrer Abwesenheit
betreten haben muß. Gretas Notebook, unser Zugang zum Internet, war vom
Küchentisch verschwunden. Es gab nirgends Spuren eines Einbruchs, und sonst
fehlte nichts. Es war also höchstwahrscheinlich Greta selbst. Ich meine, es ist
ihr gutes Recht, ihre eigene Wohnung zu betreten und sich ihr Eigentum zu
holen, aber warum wartet sie, bis wir außer Haus sind?! Hat sie uns gar beobachtet?
Vielleicht war es schlicht ein Zufall, sie kam vorbei, wir waren nicht da, und
sie hatte keine Lust, auf uns zu warten. Oder hatte es sehr eilig. Aber einen
Zettel hätte sie uns doch hinterlassen können, einfach mit ein paar Grüßen,
schon damit wir uns keine Gedanken wegen eines erneuten Einbruchs machen
müssen. Serge wollte herausfinden, ob sie auch Kleidung mitgenommen hat, aber
ich verbot ihm, in Gretas Schrank zu wühlen, dazu haben wir kein Recht. Und
selbst wenn er nachsähe, erbrächte das ja kein Ergebnis, weil wir nicht wissen,
wie es vorher im Schrank ausgesehen hat. Da widersprach er mir kopfschüttelnd.
Nach dem Überfall habe er in jeden Schrank gesehen, in jeden kleinsten Winkel
der Wohnung, das sei doch wohl nachvollziehbar. Zu welchem Zweck denn? – fragte
ich. Wollte er sicherstellen, daß sich nicht einer der Gangster im
Kleiderschrank verborgen hielt? Ich mußte grinsen, und Serge zog ein genervtes
Gesicht, sagte nein, er habe nach einer Waffe zur Selbstverteidigung gesucht.
*
Ich habe Kati eine
wirklich erstklassige Gelegenheit geboten, mir die Wahrheit zu sagen, nämlich
indem ich mich hinstellte und mich lang und breit dafür entschuldigte, die
Wahrheit gedacht zu haben. Sie schlug die angebotene Hand aus,
ließ den zu einer Beichte so günstigen Moment verstreichen, freute sich über
meine Ehrlichkeit und war umgekehrt verlogen. Das Notebook hab ich heute
Morgen, bevor wir die Wohnung verließen, in Gretas Kleiderschrank unter einem
Stapel Unterwäsche versteckt. Habe es schlicht satt, daß Kati dauernd Mails an
Freunde in Berlin verschickt. Ich mache das doch auch nicht. Kati denkt, daß
Greta hier gewesen ist. Das ist gut, denn jetzt weiß sie, oder glaubt zu
wissen, daß es der Blondine gut geht, und ich muß mir nicht mehr dauernd
anhören, wie viel Sorgen sie sich um das Pack macht. Gedanken kann man sich
aber machen. Warum eigentlich hat Greta ihr Notebook nicht mitgenommen, als sie
und Ralf das Weite suchten? Das läßt man doch nur zurück, wenn man schon bald
wieder zurückkommen will. Sie sind aber nicht bald wieder zurückgekommen. Viel
eher ist ihnen also was in die Quere gekommen. Wahrscheinlich sind sie längst
tot. Und Kati muß sich zu Recht keine Sorgen mehr machen. Jetzt schläft sie,
und ich sitze in Gretas Schlafzimmer auf dem Fußboden, bin online und sehe auf www.malta-police-reports.mt die lokalen Meldungen durch, aber da ist von
allem Möglichen die Rede, nur nicht von einem doppelten Leichenfund. Mir fällt
gerade ein: Wenn Greta und Ralf plötzlich wieder in der Tür stünden, wie wäre
das mit dem Notebook zu erklären? Eine saublöde Situation wäre das. Besser, sie
bleiben verschwunden. Leider weiß ich Katis Googlemail-Paßwort nicht. Hätte
mich mal interessiert, was sie so nach Berlin schreibt, und wem. SERGE lautet ihr Paßwort jedenfalls nicht, das hab ich
probiert. Sie hat anderes im Kopf, wenn sie stundenlang mit der Welt
kommuniziert. Mit ihrer Geschwätzigkeit Leute belästigt, von deren Existenz ich
wahrscheinlich keine Ahnung habe. Lange lass ich mir diese fortwährenden
Beleidigungen nicht bieten. Irgendwo gibt es eine Grenze. Ihr Verhalten
erinnert mich immer mehr an das meiner Mutter. Spaßeshalber gab ich den Namen
meiner Mutter bei Google ein. Null Treffer, gut. Sie ist immer noch tot. Und mir
fehlt jede Lust am Schlaf.
KATI
KATHARINA
KATHARINA SCHNEIDER
OPERNCHOR
WAGNER
VERDI
ANITA (der Vorname ihrer Mutter)
SCHWEINEPRIESTER (der Name ihrer Schildkröte, die ihr eingegangen ist)
DIRK (der Name ihres Bruders)
ZUKUNFT
PASSWORT
ABSURDES
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