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Die letzten schönen Tage

Die letzten schönen Tage

Titel: Die letzten schönen Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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habe sich einst geschworen, seinem
Nachwuchs einen jüdischen Namen zu geben, um seinen Nazi-Opa zu ärgern. Jonas
vielleicht oder Simon oder David. David sei ein wunderschöner Name. Was ich
davon hielte? Naja, nein, David gefiel mir nicht als Name für unseren Sohn.
Wieso? Na so halt nicht. Serge fragte nach. Ob ich einen David kennen würde und
schlechte Erfahrungen mit dem gemacht hätte? Plötzlich roch ich Lunte. Weiß er
irgendwas über David und mich? Woher? Das kann nicht sein. Oder doch? Und wenn,
was kann er wissen? Ich bat ihn, eine neue Flasche aufzumachen. Das Handy. Er
kann die gesendeten Nachrichten in meinem Handy gelesen haben. Aber da hab ich
alles gelöscht. Bis auf die letzte SMS . JA – hab ich an David geschrieben. Das reicht für
eine Verurteilung nicht aus. Da kann mir keiner einen Strick draus drehen,
nein. Ich darf nur nicht den Fehler machen und behaupten, ich würde keinen
David kennen. Er kam aus der Küche zurück, mit der neuen Flasche Wein, und
schlug mir einen Deal vor. Wenn es ein Mädchen wird, darf ich den Namen
raussuchen, wenn es ein Junge wird, er. Ich steckte in der Klemme, und die
Schuldgefühle fraßen mich fast auf. Um abzulenken, fragte ich ihn, ob er denn einen David kenne. Er überlegte ein wenig. Ein Fotograf in seiner
Firma heiße so, der sei ein Arschloch, ein widerwärtiger Typ, Kollegenschwein
und Weiberheld.
    Beinahe hätt ich alles
gebeichtet, reinen Tisch gemacht. Habs dann doch nicht über mich gebracht. Aus
Feigheit? Nein. Wie ich Serge einschätze, würde ihn die Wahrheit zu sehr
verletzen. Und vorbei ist vorbei. Manches findet besser nie den Weg ans Licht.
    23. Januar
    Es ist halb drei Uhr
in der Nacht, Kati schläft, und ich bin in Gretas Zimmer, surfe ein wenig im Netz.
Ich fürchte, ich bin zu plump vorgegangen. Auf meine Frage, ob sie einen David
kennt und schlechte Erfahrungen gemacht hat, hat sie nur kurz den Kopf gewiegt,
als ob sie nachdenken würde, dann schickte sie mich in die Küche, um später
einfach vom Thema abzulenken. Sie hat definitiv etwas zu verbergen. Ich muß
mich ständig fragen, ob ich Kati liebe. Wenn ich sie liebe, ist alles egal und
gut – wie immer es kommt. Wird man betrogen von der, die man liebt, ist man ja
doch noch mit ihr zusammen, kann sie genießen, es gibt vielleicht noch Monate,
Wochen, glorreiche Stunden des Glücks vor dem Ende. Ich muß mich ständig
fragen, ob Kati mich liebt. Wenn sie das tut, ist ebenfalls alles in Ordnung,
denn was sie mir antut, geschähe, wenn auch um viele Ecken gedacht, aus Liebe.
    Ich muß Kati fragen, welche
Rolle jener David spielt in ihrem Leben: ob eine Haupt-, ob eine Neben-? Oder
ist er nur Komparse? Es gibt die bösen Kopfpornofilme, einer zeigt, wie David
meine Kati fickt, sie jault, geschüttelt von Orgasmen, und mein Kopf beherbergt
so viel Gift, ich könnte schreien. Manchmal bin ich so eifersüchtig, daß ich
mir unheimlich werde. Dann wieder bin ich auf Katis Seite, bin ihr Anwalt,
denke mir Entschuldigungen für sie aus. Vielleicht habe ich die zwei Buchstaben
überinterpretiert. Soll ich mal vorbeikommen und deinen Briefkasten leeren? Ja,
bitte, das wär nett. Ich kann dir auch die Pflanzen gießen. Ja, danke sehr. Auf
all diese Fragen, die immerhin bedeuten würden, daß der Typ einen Schlüssel zu
Katis Wohnung besitzt, gibt es gängige Repliken. Ein simples und doch auch
dramatisches JA läßt auf eine Frage von Bedeutung schließen,
oder aber, und das habe ich bei meinen bisherigen Überlegungen unterschätzt,
auf eine Belästigung, der man den Wind aus den Segeln nehmen will. Wer ist
David? Kann es sein, daß sie eine Affäre mit einem David hat und diesen Kerl in
ihrem Telefonverzeichnis ernsthaft DAVID nennt? So doof wäre kein Mensch. Oder doch?
Bin ich nur einfach zu durchtrieben? Ich hätte Kati ins Kreuzverhör nehmen
können. Dazu hätte ich allerdings zugeben müssen, in ihrem Handy geschnüffelt
zu haben. Sie soll keinen schlechten Eindruck von mir bekommen. Besser wäre, daß
sie von selbst gesteht, was sie getan hat, ohne Zwang. Dann könnte ich ihr viel
leichter verzeihen. Ich muß ja wirklich dankbar sein, daß sie mit mir zusammen
ist, objektiv gesehen. Sie nimmt meine Schattenseiten in Kauf, und wenn sie
heute auch vor mir davongelaufen ist, was ich nachvollziehen kann, was durchaus
verständlich ist, so liebt sie mich doch immer noch und will mich nicht
verletzen. Nehme ich zu ihren Gunsten an. Zu meinen Gunsten auch. Vielleicht
ist es ganz

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