Die letzten schönen Tage
selbstgefällig, was ich denke, vielleicht verschließe ich meine
Augen vor der Wahrheit, daß sie feige ist und sich hier einfach eine schöne
Zeit macht. Aber mit solchen Erwägungen macht man sich die Liebe, die einem
widerfährt, doch ganz nutzlos kaputt, das ist Selbstzerstörung. Nein, ich werde,
was diesen David betrifft, nicht weiter nachbohren. Dann hat er sie eben
gefickt. Na und? Sie ist deswegen nicht so viel häßlicher geworden. Auch die
Sache mit dem Notebook tut mir leid. Ich wünschte, ich fände einen Weg, diesen
kranken Scheiß wieder rückgängig zu machen. Künftig will ich Kati lieben, von
ganzem Herzen, mit dem Grundvertrauen eines gefütterten Hundes oder
gestreichelten Kindes. Im Endeffekt profitiere ich davon am meisten. Ah, klingt
das widerwärtig. Denken wir alle insgeheim in Profit und
Kosten/Nutzen-Abwägungen? Ich schäme mich unendlich auf den bloßen Verdacht
hin. Schlimm ist ein begangener Fehler nur, wenn man nicht einfach klaren Tisch
machen, seine Schuld eingestehen kann. Kati würde mir nie mehr vertrauen, und
gar nichts wäre gut. Schon wieder juckt es mich in den Fingern, ihr Paßwort
herauszubekommen, egal, was ich eben beschlossen habe. Ich bin krank. Morgen
geh ich in die Klinik und hol mir mein Medikament. Jetzt sauf ich mich zu bis
Schotten dicht und stehle mich zu ihr, und wenn sie davon erwacht, darf ich um
Gottes willen nicht anfangen, mit ihr zu reden. Wer weiß, was mir in dem
Zustand über die Lippen käme. Niemals auch nur angetrunken ein Gespräch
beginnen, schon gar nicht sturzbesoffen Mails verschicken, das ist der Rat, den
ich mir heute gebe, ich fürchte, ich habe eben Borten gesagt, daß er mich
künftig am Arsch lecken kann. Ich sehe in GESENDETE NACHRICHTEN nach. Große Erleichterung, ich hab so ein Mail zwar geschrieben, dann aber
nur unter ENTWÜRFE gespeichert. Jetzt ist es gelöscht. Kati sieht
meiner Mutter immer ähnlicher. Ich hab ihr das nie gesagt, wollte es ihr nicht
eingestehen, aber vor allem mir selbst nicht. Hab ich sie deshalb gewählt? Sind
wir aufgrund dessen von Anfang an verloren? Mein Kopf steht nicht mehr, hängt
schlaff vom Hals. Ich möchte noch nicht schlafen gehen, will die Sonne
hereinbrechen sehen in meinen Kerker der immer wiederkehrenden Fragen. Mein
Selbstmitleid kotzt mich an, als wäre ich zwei Menschen, der eine, der Dinge
tut, der andere, der zusieht und darüber richtet und den Kopf schüttelt, den
blutlos schlaffen.
*
Es ist Mittag und
Serge noch immer nicht wach. Er kroch erst am frühen Morgen ins Bett, seither
schnarcht er vor sich hin. Aber das war nicht der Hauptgrund, warum ich kaum
geschlafen hab. Die Art, wie er gestern Nacht dann doch nicht nach David gefragt hat, mag ihn ehren, mir ließ und läßt sie keine Ruhe.
Es führt kein Weg daran vorbei, ich muß ihm die Geschichte erzählen. Nur wie ich sie erzähle, verlangt Fingerspitzengefühl. Daß es sich bei David um
jenen David aus seiner Firma handelt, kann ich weglassen, ist an sich auch
unwichtig. Ich werde sagen, David ist ein Exfreund, und ich bin aus Nostalgie
noch einmal mit ihm in die Kiste gestiegen. Seither erkundigt er sich immer mal
wieder nach mir. Dann ist alles Wesentliche gesagt, vom reinen Tatbestand her,
ohne jene Details, die die Sache für Serge unerträglich gestalten würden. Ich
werde ihm mit keinem Wort vorwerfen, mir hinterherspioniert zu haben. Es darf
nicht der Verdacht entstehen, daß ich mich zu der Beichte gezwungen fühlen
könnte. Dann würde er nämlich denken, daß ich ihm das Wesentliche vorenthalte
und nur das erzähle, was er ohnehin schon weiß oder zu wissen glaubt. Ach, ist
das alles kompliziert. Ich war beim Bäcker, hab Croissants geholt und Kaffee
gemacht. Mir ist so mulmig zumut.
*
Kati druckste herum,
wollte etwas sagen, als wir auf der Terrasse Kaffee tranken, sie kenne
tatsächlich einen David, ich legte ihr sanft einen Finger auf die Lippen, es
sei gut, ich wolle nichts weiter hören. Daß sie dann nichts weiter sagte,
enttäuschte meine Neugier, aber immerhin, sie hätte alles gesagt, zumindest
viel, oder ein bißchen was, das genügte mir bereits. Wir wollen, schlug ich
vor, dies alles vergangen sein und ruhen lassen. Welch hündisch dankbaren Blick
sie mir da zuwarf! Erbärmlich, in seiner Art. Ich gab mich generös, belog mich
selbst, aber so ist das mit den Lügen. Sind sie erst mal in der Welt, ziehen
sie andere Lügen nach sich, das ganze Leben ist ein feingeknüpftes Netz aus
Lügen, zu viel Wahrheit
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