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Die letzten schönen Tage

Die letzten schönen Tage

Titel: Die letzten schönen Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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schön harte Maßnahme. Aber konsequent.
Sie braucht es nicht wirklich. Vielleicht sollte ich es nicht zerstören.
Verstecken genügt. Wo sie es nie findet. Unter Gretas Wäsche, wo auch das
Notebook liegt. Aber wenn sie es je fände, wüßte sie, daß ich es dort hingelegt haben muß. Das Notebook hingegen könnte auch Greta da
deponiert haben, bei ihrem Kurzbesuch, aus welchen Gründen auch immer. Jemand
so Lebenslustiges wie Greta hat sicher ein paar Geheimnisse. Also wohin mit dem
Handy? Ich stecke es einfach in meine Manteltasche und gut. Kati ist niemand,
der in anderer Sachen kramt. Und wenn doch? So viele Unwägbarkeiten. Die
Adresse [email protected] hab ich eben installiert. Jetzt grüble ich darüber,
was ich übersehen haben könnte. Und fühle mich am Leben, weil ich grüble.
    9. Februar
    Heute früh suchte
ich mein Handy, fand es nicht und konnte mich beim besten Willen nicht mehr
erinnern, wo ich es zuletzt gesehen hatte, in meiner Handtasche normalerweise,
aber da war es nicht. Na, wird sich schon wieder finden. Und wenn es mir
rausgefallen ist, aus der Tasche? Oder wenn es mir geklaut wurde, gestern, als
ich im Bus nach Valetta fuhr? So ein Mist. Andererseits war es uralt. Kauf ich
mir eben ein neues. Vorerst warte ich damit noch ab, kann ja wieder auftauchen.
Serge war reizend, hat das gesamte Apartment auf den Kopf gestellt, wollte mein
Held sein, er erzählte eine Anekdote, die mich berührt hat, die auch etwas
Licht auf seine Kindheit wirft, über die er ja nie reden will. Nämlich, daß
seinem Vater einmal im Urlaub die Armbanduhr am Strand verloren ging und Serge
daraufhin den Strand abgesucht hat und die Uhr tatsächlich fand, was mehr als
unwahrscheinlich war, aber er sei ja Kind gewesen, neun oder zehn Jahre alt, er
habe nicht darüber reflektiert, sondern sei sofort zum Wohnwagen seiner Eltern
gerannt, habe die Uhr dem Vater präsentiert, der habe ihn auch ausführlich
dafür gelobt, aber viele Jahre später, sagte Serge, sei ihm klar geworden, daß
sein Vater geglaubt haben müsse, Serge hätte ihm die Uhr gestohlen, um sich
hinterher als Finder feiern zu lassen, das habe sein Verhältnis zum Vater
schwer belastet, obwohl der die Angelegenheit wohl längst vergessen hätte –
komplizierter Sachverhalt, ich stieg da nicht gleich durch, und Serge steigt
anscheinend bis heute nicht durch. Zum ersten Mal immerhin hat er mir was aus
seiner Jugend erzählt. Er muß seinen Vater geliebt, aber irgendwann das
Vertrauen in ihn verloren haben, weil er meinte, der Vater habe das Vertrauen
in ihn verloren. Ich hätte heute gerne mit Serge geschlafen. Er hatte keine
Lust, wirkte dabei nicht lethargisch, wie so oft, eher beschwingt und
verdruckst zugleich. Undurchschaubar, irgendwie. Vielleicht einfach nur ein
Erektionsproblem.
    *
    Kati hat den ganzen
Tag ihr verlorenes Handy gesucht, und ich half ihr dabei, erfolglos, es ist wie
vom Erdboden verschwunden. Vermutlich hat es ihr wer aus der Tasche geklaut, im
vollen Bus. Glaubt sie. Dabei warnt jeder Reiseführer vor Taschendieben. Sagte
ich. Was nicht als Vorwurf gemeint war, dennoch fühlte Kati sich angegriffen. Später
wollte sie plötzlich ins Bett. Meine Lust hielt sich in Grenzen, da wollte
nichts zusammenwachsen. Ich stehe unter zu großer Spannung, konnte die Nacht
kaum erwarten, um halb eins erst ging Kati zu Bett. Fast gierig, nein ganz und
gar gierig, fuhr ich das Notebook hoch und loggte mich ein unter [email protected].
    Sie haben Post. Kleinmann hat geantwortet.
    Liebe Katharina,
    es wundert mich, daß du mit vollem
Namen unterzeichnest. Hast du nicht immer gesagt, du würdest diesen Namen
verabscheuen? Ich solle, hast du stets gefordert, Kati zu dir sagen. Jetzt bin
ich verunsichert, aber ich freue mich, daß du dich meldest. Gestern ist ein
lebendiges Wesen in meinen Armen gestorben, und wenn es auch nur eine Katze
war, so wars das erste Erlebnis dieser Art für mich. Ich bin traurig und
hilflos, der lange Winter deprimiert mich einfach nur, und ich müßte meiner
Mutter, die mir diese Katze anvertraut hat, die Wahrheit sagen, aber ich kann
es nicht und bin sauer auf den blöden Kater, der lieber gestorben ist, als von
mir Nahrung anzunehmen. Ich will meiner Ma nicht den Urlaub verderben, eben hat
sie angerufen, und ich entschloß mich, sie zu belügen, es sei alles in Ordnung
mit Johnson – so heißt der schwarze Kater, vielmehr, so hieß er. Ich hab ihn in
eine Plastiktüte und dann in mein Tiefkühlfach gelegt, das somit endlich

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