Die letzten schönen Tage
dann
zu beurteilen. Wirklich neu war, daß David offensichtlich bereit ist, diese
Affäre auf eine höhere Ebene zu heben, auf der er mehr als nur ein Dildo ist.
Das muß ich als enorme Bedrohung empfunden haben und hab ihm die Hölle an den
Hals gewünscht. Es war für mich so, als hätte nicht ich all die Mails
an David geschrieben, sondern Kati, die in der Realität doch bei mir ist und so
loyal, wie ich es mir nur wünschen kann. Huytens wird sagen, daß ich manchmal
nicht mehr imstande bin, meinen Müll zu trennen, daß ich Indikativ und
Konjunktiv nicht mehr auseinanderzuhalten weiß. Und daß ich mir damit meine
eigene Grube grabe. Ich schäme mich. Nur um etwas aus Katis Vergangenheit zu
erfahren, habe ich David in unsere Gegenwart geholt. Wie blöd, um Himmels
willen, ist das denn? Ich mache so viel kaputt. Kappe nach und nach Katis
Verbindungen zur Welt und entschuldige es mit meiner Liebe zu ihr. Aber ob wir
beide zusammenpassen, ist noch längst nicht raus. Vielleicht würden Kati und
David zusammenpassen und ich stehe Katis Glück im Weg? Na gut, das ist jetzt
sehr weit hergeholt, aber theoretisch? Die Liebe macht uns zu Tieren. Das ist
auch nur so eine blöde Exkulpationsphrase. MICH macht sie zum
Tier. Es gibt durchaus Menschen mit Anstand auf der Welt. Und also keine
Pauschalentschuldigung für mich. Andererseits – David ist in Katis Leben
Vergangenheit gewesen, war es die ganze Zeit, in der wir uns hier auf Malta
befinden – und ist es jetzt wieder. Man kann nicht behaupten, ich hätte in ihre
Angelegenheiten eingegriffen. Oder?
11. Februar
Serge war heute so
um mich bemüht, herzte mich, liebkoste mich, sagte mir all die Zärtlichkeiten,
die ich mir so lang von ihm gewünscht hab. Als hätte er was ausgefressen.
Nachmittags ging er spazieren, um ein wenig nachzudenken. Ich hab die Zeit
genutzt, um den Abwasch zu machen. Danach bin ich in den Vodafone-Laden und hab
einen neuen Handy-Vertrag abgeschlossen, damit ich mir nicht mehr so nackt vorkomme.
Erstaunlich, daß ich in einer Zeit aufgewachsen bin, die noch ohne Internet und
Mobilfunk ausgekommen ist. Wie haben wir es damals aushalten können? Wie still
muß jene Zeit gewesen sein? Alle meine Telefonnummern sind verloren, ich muß
sie neu recherchieren, was für eine Arbeit! In den Straßen von Valetta finden
bei lauter Musik Karnevalsumzüge statt. Ein buntes und scheinbar chaotisches
Spektakel, dem man sich schwer entziehen kann.
12. Februar
Ich bin mir
unsicher, ob ich Katis neuen Account löschen soll. Wenn David ihr noch mal
schreiben sollte, würde er seine Post in diesem Fall als unzustellbar
zurückbekommen, und er könnte es unter der alten Adresse versuchen, die ich
nicht kontrollieren kann, es sei denn, ich ginge jeden Tag vor Kati ins Netzcafé
und finge Post von David ab, wenn es denn Post von David gäbe. Ziemlich viele
Konjunktive hab ich mir da eingebrockt. Hab mich ans Meer gesetzt und
nachgedacht. Es ist sicherer, David ruhigzustellen.
Lieber David,
gestern habe ich arg überreagiert,
das tut mir leid. Ich hatte auch schon was getrunken und keinen guten Tag
hinter mir. Danke, daß du dich für Serge eingesetzt hast, ihm geht es ganz
leidlich, wenngleich er mir nach wie vor Sorgen macht. Wenn ich dich beleidigt
habe, dann bitte ich um Entschuldigung. Es war grundfalsch von mir, mich wieder
bei dir zu melden. Die Sache zwischen uns ist ein für alle Mal aus und vorbei,
und wir wollen weder in der Asche stochern noch nachtreten, wo wir uns doch
meistens ganz gut vertragen haben. Also, nichts für ungut. Leb wohl, Kati
Ja, das wäre ungefähr ihr
Tonfall. Jetzt warte ich noch zwei Tage ab, ob da noch was kommt, dann lösche
ich den Account – und die Episode ist überstanden. Huytens meinte neulich, daß
mein Fall, ganz grob eingeordnet, auf simple Eifersucht reduzierbar sei, und
das wäre an sich gar nichts Besonderes, wenn da nicht die Geschichte meiner
Mutter wäre, ja auch ein Fall von Eifersucht. Nur eben mit Nachwirkungen weit
über deren Tod hinaus. Ich verstehe schon ganz gut, warum er mir ständig Kati
auszureden versucht. Dabei weiß er noch nicht einmal alles. Ich muß reinen
Tisch machen.
*
Ich bin ins Netzcafé
gepilgert, hab alle meine Kontakte angeschrieben, per Sammelmail, damit die mir
ihre Telefonnummern senden. Und ich wieder korrespondenzfähig werde.
Wie isoliert wir früher mal
waren, zeitweise, ich weiß noch, als ich ein Kind war und wir im Sommer Ferien
im Ausland machten, es bedeutete, drei
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