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Die letzten schönen Tage

Die letzten schönen Tage

Titel: Die letzten schönen Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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mal
Verwendung findet. Ma macht Urlaub in Florida, mußt du wissen. Serge soll sich
keine Sorgen machen, Borten wollte ihn rauswerfen (sag ihm das bitte nicht),
aber das hab ich zu verhindern gewußt. Seine Stelle wird ihm immer noch frei
gehalten. Habs gut, derweil, es grüßt dich herzlich, David.
    Was für ein raffinierter
Bursche, dachte ich, als ich das las. Borten wollte mich rauswerfen? Aha. Und
er, David Kleinmann, hätte das verhindert. Alles klar. Warum sollte sich jemand
wie David Kleinmann für mich einsetzen, wenn es ihm nicht um was ganz anderes
ginge.
    Dennoch gefiel mir diese Mail.
Zum ersten Mal, seit ich ihn kenne, empfinde ich nicht nur blanken Haß für
David. Er scheint doch kein so gefühlloser Yuppie-Glattarsch zu sein. Nur, daß
aus dem Text so ganz und gar nicht hervorging, inwieweit er sich in meine Kati
involviert hat, war unbefriedigend.
    Lieber David,
    das mit dem Kater tut mir sehr
leid. Aber warum steckst du das tote Tier in dein Tiefkühlfach? Damit deine Ma
Abschied von ihm nehmen kann, wenn sie zurückkommt? Das ist doch gruselig.
Danke, daß du dich bei Borten für Serge eingesetzt hast. Und ich dachte, du
könntest ihn nicht gut leiden. Manchmal habe ich den Wunsch, dich
wiederzusehen. Wäre das auch in deinem Sinn?
    Einen lieben Gruß zur Nacht sendet
Kati (du hast recht, die Kurzform ist mir lieber, aber auch ich werde älter und
immer mehr zur Katharina).
    Nach einer Stunde etwa kam
schon die Antwort.
    Liebe Kati,
    das dauert hoffentlich noch lang,
bis eine Katharina aus dir wird. Die Katze im Tiefkühlfach – nein, nicht daß
ich sie meiner Mutter präsentieren will, Gott bewahre, aber sie wird mich
fragen, ob ich Johnson anständig bestattet habe. Derzeit liegt meterhoch
Schnee, der Boden ist tiefgefroren, ich könnte Johnson einfach in den Müll
schmeißen oder bei der Tierkadaverentsorgung (heißt das so?) abliefern, aber
ich will die Sache nicht noch schlimmer machen. Du willst mich wiedersehen?
Nichts lieber als das. Ich habs ja kaum zu hoffen gewagt, nachdem du dich so
abrupt zurückgezogen hast. Wie geht es denn eigentlich Serge? Hat er sich
erholt? Wie lange wollt ihr noch bleiben? Bleibt, solange ihr könnt. Das Wetter
hier ist deprimierend. Wie ich dich um Malta beneide. Wenn hier nicht endlos
Aufträge zu erledigen wären, käme ich sofort vorbei. Einen Kuß aus Frost und
Finsternis sendet dir dein David.
    Aha. Da soll man nun
schlau draus werden. Er sendet einen Kuß. Nun ja. Kann dieses und jenes
bedeuten. Heiße Leidenschaft klingt anders. Vielleicht waren die beiden nur
Freunde und haben mal geknutscht, kann sein. Oder aber er will den Verdacht
vermeiden, ihm ginge es bloß um Sex. Aber daß er sich nach meinem Wohlergehen
erkundigt, ha, einen Moment lang hat es mich beinah gerührt. Diese
hinterfotzige Tour! Männer.
    10. Februar
    Eben ging Serge ins
Bad, sich rasieren. Er rasiert sich, bevor er Dr. Huytens trifft. Eigenartig.
Wenn ich nicht genau wüßte, daß er zu einer Sitzung geht, müßte ich denken, er
ginge zu einer Frau.
    *
    Kati sah mich heute
Morgen so komisch an, als ich aus dem Bad kam. Vielleicht hab ich mir das nur
eingebildet, aber ihr Blick war nicht arg angenehm. Brannte auf der Haut. Ich
sollte die Korrespondenz mit Kleinmann aufgeben, die Dinge ruhen lassen, was immer
da war. Huytens habe ich davon erzählt. Mit irgendwem muß ich darüber reden.
Überraschenderweise zeigte er Verständnis und fand das alles sogar ganz
aufregend und kreativ. Ich hätte drauf gewettet, daß er derlei Charaden nicht
gutheißen würde. Von wegen. Ich beneide ihn um seinen Beruf. Einfach zuhören
dürfen, wenn Menschen ihr Innerstes nach außen kehren, und fett Kohle
kassieren, dabei auch noch das Gefühl haben zu helfen – was ein Traumjob. Daß
ich Katis Handy versteckt habe, behielt ich für mich, obwohl das Quatsch ist,
seinem Analytiker was vorzuenthalten, nur um als besserer Mensch dazustehen.
    Nachts schrieb ich an
David:
    Lieber David,
    verstehe ich dich richtig? Du
willst deiner Mutter etwas vorgaukeln, bevor du ihr letztlich etwas gestehen
mußt? Kenn ich gut. Meine Mutter anzulügen, war lange Zeit die einzig geeignete
und angemessene Form, mit ihr zu kommunizieren. Haben wir je darüber geredet?
Darf ich dich um was bitten? Sag doch mal, und bitte ganz ehrlich, was du
aufregend an mir fandest und was nicht so.
    Kuß aus dem sonnigen Süden, Kati
    Es ist vier Uhr morgens.
Mir ist schlecht. David hat geschrieben.
    Liebe Kati,
    fischst du nach

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