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Die letzten schönen Tage

Die letzten schönen Tage

Titel: Die letzten schönen Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Komplimenten? Du
willst, daß ich dir schreibe, was ich an dir aufregend fand? Ich habe doch nur
ein paar Stunden Zeit, bis der Wecker klingelt. Also gut, im Kurzdurchlauf, und
weil ich ein oberflächlicher Mensch bin, erst mal das Visuelle. Ich fand deine
Füße aufregend, du hast die schönsten Füße, die ich je gesehen habe. Deine
Beine sind Weltklasse und was daran anschließt auch. Vorne wie hinten. Deine
Brüste sind herrlich, und die Färbung ihrer Nippel, dieses zarte Blaßrosa, wenn
ich nur daran denke, steht er mir. Dein schöner schlanker Hals mündet in einen
Kopf, der es mit dem von Audrey Hepburn aufnehmen kann, meiner ersten großen
Liebe. In diesem Kopf drin, um nun zum weniger Aufregenden zu kommen, war
hauptsächlich Serge. Stets hast du mir klargemacht, daß das zwischen uns nichts
Ernstes werden könne, weil es ihn gab. Anfangs war ich um diese Regelung froh.
Ich glaube beinahe, daß ich über Serge mehr weiß als über dich. Über deine
Mutter hast du jedenfalls nie geredet, nur pausenlos über Serge, den du wie
einen Schild vor dir hergetragen hast. Manchmal hatte ich den Eindruck, du
würdest dich für deine Orgasmen vor mir schämen. Das hat mich sehr abgetörnt,
um die Wahrheit zu sagen. Darum sag ich dir auch noch Folgendes, und es fällt
mir schwer: Wenn du wieder mit mir anbandeln willst, nur um ab und an Spaß zu
haben, lass es mal lieber bleiben, ich suche derzeit nach etwas Festem, Wahrem.
Ich habe dich vermißt, weitaus mehr, als du vermutest. Ich bin aber kein
Pausenclown oder ein Lückenfüller. Hoffentlich verstehst du, wie weit ich mich
aus dem Fenster lehne, indem ich dir das schreibe. Wenn du mich brauchst, bin
ich für dich da. Wenn nur ein gewisser Körperteil von dir mich braucht, bist du
an der falschen Adresse. Du wirst es mir vielleicht nicht glauben, aber seit
Serge im Meeting seinen Anfall bekam, als er sich in die Hosen gepißt und
krudes Zeug gelabert hat, empfinde ich Mitgefühl für ihn. Daß du ihn danach
nicht aufgegeben hast, imponierte mir, nicht viele Frauen würden sich für
jemanden wie Serge entscheiden, wenn sie deine Möglichkeiten besäßen. Solange
du ihn liebst, gibt es für uns keine Zukunft. Erst wenn du dir sicher bist, daß
du ihn nicht mehr liebst, kannst du zu mir kommen. Dann aber rennst du offene
Türen ein. Sei lieb gegrüßt aus dem verschneiten Norden – und überall geküßt
von deinem David
    So ist das also gewesen.
Ich hätte vieles ertragen, aber die Passage über Katis Füße gab mir den Rest.
Wenn etwas dir den Boden wegzieht, als wärst du ein Verurteilter, der hängen
muß, da gibt es kein Korrektiv, keinen mildernden Umstand. Nur Wut.
    Hallo David,
    es tut mir sehr leid, wenn ich dir
mit meinem Gelaber über Serge auf die Nerven gegangen bin. Ja, er ist der Mann,
den ich liebe. Und dein Gefasel wegen Mitgefühl kannst du dir sparen und in die
Haare schmieren! Du willst mich doch bloß für dich haben, forderst mich auf,
ihn zu verlassen, kleidest das in schöne Worte. Fick dich! Du bist wie fast
alle anderen. Nichts Besonderes nämlich. Serge ist ein kluger, zartfühlender,
mißverstandener Mensch, der mich verdient hat. Es tut mir auch leid, meine Zeit
an dich verschwendet zu haben. Du hältst dich wahrscheinlich noch für einen
großen Liebhaber, für Gottes Geschenk an die Frauen. Aber du bist nur ein kaum
durchschnittlich talentierter Fotograf, der ein Genie wie Serge in seinem
schwächsten Moment zur Weißglut gebracht hat, und mich jetzt auch, ich hab den
Hals so voll von dir, schreib mir bloß nie wieder, du hinterhältiges Vieh!
    Katharina Schneider
    Na gut, ich hab das
geschrieben und abgeschickt, es ist nicht ungeschehen zu machen. Muß ich mit
leben. Außerdem weiß ich jetzt ja alles, was ich wissen wollte, es ist ein ganz
passender, sogar überaus passender Zeitpunkt, diesen Irrsinn zu beenden, mit
einem harten Schnitt. Aber wenn David Verdacht schöpft? Kennt er Kati so gut,
um zu wissen, daß sie so etwas niemals an irgendwen in der Welt senden würde,
und wärs ihr größter Feind? Derbe Begriff und Flüche würde sie nie und nimmer
benutzen. In ihren Augen setzt man sich ins Unrecht, wenn man sich gehen läßt.
Ich schäme mich ein wenig. Und trinke wieder.
    Was genau hat mich so wütend
gemacht? Daß die beiden miteinander gefickt haben, konnte ich mir denken, das
war nichts wirklich Neues. Huytens hat gesagt, ich solle lernen, stets alles,
was geschieht, mit den Augen sämtlicher daran Beteiligter zu sehen und erst

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