Die letzten schönen Tage
hätten das große
Silvester-Poker-Turnier mitgespielt, leider recht wenig erfolgreich. Ralf hätte
danach noch den nicht geringen Betrag von über zehntausend Euro beim Black Jack
verloren. All das habe er, Roger, über die Casinokameras nachverfolgen können –
und er habe sich über jenen fatalen Abend noch schlauer gemacht und sich bei
den üblichen Verdächtigen erkundigt. Nun – und? Er ging mir auf die Nerven mit
seinem omnipotenten Ego. Naja. Ralf habe sich eine fette Summe geliehen, und
Greta habe sich dann, um ihn auszulösen, eine noch fettere Summe geliehen.
Wahrscheinlich seien sie dann getürmt. So oder ähnlich hatte ich mir die
Angelegenheit auch schon zusammengereimt. Sind das gefährliche Leute, denen sie
das Geld schulden? Er meinte, Leute, die Zockern Geld verleihen, sind immer
gefährlich, das liege in der Natur der Sache. Greta und Ralf werden so schnell
nicht auf die Insel zurückkehren können, es sei denn, es fiele ihnen irgendwo
ein Schatz vor die Füße, um diese Typen zu beschwichtigen. Vielleicht seien die
beiden auch erpreßt worden. Schließlich könnten sie als Sysops mit ein bißchen
krimineller Energie an Kreditkartendaten von Spielern kommen. Genaueres wisse
er leider nicht, seine Informanten seien nur bedingt zuverlässig, da selbst in
allen Arten von Abhängigkeiten befindlich. Doch dann kam der Clou: Roger zeigte
mir ein neues Programm, das alle Casinos innerhalb der EU vernetzt. Wann immer Greta oder Ralf irgendwo in Europa ein staatlich
betriebenes Casino betreten, wird das protokolliert. Nun – und? War da was in
den letzten dreieinhalb Wochen? Er schüttelte den Kopf. Nothing. Which is very strange for players of their strength . Vielleicht seien sie nach Vegas geflogen. Das
würde alles erklären. So. Und jetzt, finde er, habe er sich ein Küßchen
verdient, für seine Recherchen, das sei doch nicht unverschämt, oder? Ach je.
Kerle. Ich hätte es nicht tun sollen, brachte es schnell hinter mich und gab
ihm ein Küßchen auf die Wange, verabschiedete mich, und mit der linken Hand
hielt ich in der Jackentasche ein Pfefferspray umklammert, für den Notfall. Nur
weil er mich sehr mögen würde, habe er all jene Infos besorgt. Da war es
wieder, das Umschmeichelnde, Ekelhafte, dieses südeuropäische Macho-Gedöns und
der Am-Ende-krieg-ich-dich-doch-Blick. Aber dann stellte Roger eine simple
Frage, ganz sachlich, ob ich mich denn schon bei Gretas und Ralfs Arbeitgebern
nach ihnen erkundigt hätte, und ich mußte zugeben, daß mir die doch an sich
naheliegende Idee bislang nicht in den Sinn gekommen war. Try it. Good luck
anyway. Er drückte mir dann noch ein paar Spielchips in die Hand, im Wert von
fünfzig Euro, ich solle ein bißchen Spaß haben auf Kosten des Hauses. Erst
hielt ich das für einen Vorwand, mich erneut zu berühren, aber mit einigem
Abstand kann ich nicht mehr ausschließen, daß er einfach nur ein netter Kerl
ist, dessen Nachmittage oft fade verlaufen.
*
Kati wollte mir
nicht sagen, wo sie heute war. Das heißt, gesagt hat sie schon etwas. Sie
sagte: shoppen . Aber gekauft hat sie offenbar nichts. Hast du
denn nichts gefunden, Schatz? Darauf sie: Gab nichts. Hallo? Als wäre Malta die
wiederauferstandene DDR – und heute hätte es keine Lieferung gegeben.
Wenn sie mir etwas verheimlicht, warum dann so dilettantisch? Sie muß mich für
blöde halten, und das ist schade, denn wenn es einen Grund gibt, mich zu
lieben, dann wegen meiner Intelligenz. Nachts hab ich ihre Jacke durchsucht,
fand darin Jetons im Wert von fünfzig Euro. Bin verwirrt. Spielt sie? Aber wer
bringt Jetons mit nach Hause ? Das ergibt keinen Sinn. Und warum versteckt
sie die Jetons nicht besser? Rechnet sie so gar nicht damit, daß ich mal in
ihren Taschen nachsehe? Das wiederum spräche nicht für exorbitante
Dummheit/Fahrlässigkeit, sondern für ein Grundvertrauen zu mir, das mich
beschämen würde, könnte ich daran glauben. Ich bin verwirrt. Denken löst nicht
mehr Probleme, als damit einhergehen. Ich möchte Kati morgen früh auf diese
Jetons ansprechen und weiß nicht, wie ich das anstellen soll, ohne als
Schnüffler zu gelten. Huytens hat gesagt, ich dürfe die Dinge nicht länger an
mir nagen lassen, ich solle stets um sofortige Klärung bemüht sein. Der macht
es sich einfach. Ich glaube ja, daß Huytens schwul ist und wenig von Frauen
versteht. Jedenfalls tut er immer so oder deutet es an, als wäre meine
Beziehung zu Kati eher ein Teil des Problems als einer möglichen
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