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Die letzten Städte der Erde

Die letzten Städte der Erde

Titel: Die letzten Städte der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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hinein, brachten ihm anschließend Tee. Das ganze Haus versammelte sich um ihn, und sie murmelten wie in großer Ferne, und die Kinder kamen und berührten Andreijs kalte Hände, wie es auch Anna und Iljas Mutter taten, wobei letztere ihn an sich drückte und seine Finger wundrieb und ihn auf die Stirn küßte, damit ihre große Besorgnis zeigte; und von dem Sims oberhalb des Feuers starrte Iljas Wolf auf sie herab.
    Sie tanzten an diesem Abend und tranken und sangen; Andreij trank viel und lachte, und doch... – die Stille war da.
    Er lag in dieser Nacht im Bett und träumte von blauen Nächten und stillem Schnee und von dieser weißen Gestalt, die mit dem Wind schnürte, zwischen im Mondlicht funkelnden Schneeflocken einher und über Verwehungen hinweg, ohne jemals darauf eine Spur zu hinterlassen.
    Der nächste Tag dämmerte hell und klar herauf. Ganz Moskva schien an diesem Tag zu lächeln, als bunte Dachvorsprünge aus den tiefen Schneewehen hervorblickten, die zwischen den Häusern lagen, als Kinder und Erwachsene, eingemummt wie Puppen mit dicken Gliedern und dicken Fäusten, aus den Schneemassen hervorbrachen, um über die Straßen zu gehen und Verwandte und Freunde zu besuchen. Die Orlowkinder quietschten vor Begeisterung, brachen durch die Schneewehen auf dem Weg zu den Ställen und brachen Eiszapfen von den Vorsprüngen der Veranda. Manche Kinder hatten Schlitten auf die Straßen gezogen, und überhaupt machten die Kinder ihren eigenen Lärm.
    Nur Andreij sah diesem Morgen mit weniger Freude entgegen, zog still seine Stiefel für draußen an und seine warmen Felle, holte das Geschirr hervor und sattelte Umnik, der unruhig war und streitlustig. Andreij sagte kein Wort zu Anna oder ihren Eltern, auch keines zu Ilja, lächelte nur die Kinder freudlos an, die ruhiger wurden, wenn sie ihn anschauten, und die, als sie mit dem Schlittenfahren aufhörten, wie eine Reihe zusammengekauerter Vögel entlang des Zaunes standen, als er durch das Tor ritt und dann die Straße hinab.
    »Guten Morgen«, sagten die Nachbarn fröhlich und hielten in ihrem Schneeschaufeln inne. »Einen guten Morgen, Andreij Wasiljewitsch.« Er nickte abwesend und ritt weiter. »Guten Morgen«, sagte der weißbärtige Pjotr am Torwärterhäuschen, und Andreij vergaß, den Gruß zu erwidern, stieg aber von Umnik, um den Torhütern dabei zu helfen, die Torflügel nach innen zu stemmen, stieg dann wieder auf den Rücken seines Ponys. Das Pony schüttelte den zotteligen Kopf und ging gegen die Schneeverwehung vor, die ihnen den Weg versperrte, sprang hindurch und lief dann gleichmäßiger weiter, auf die Brücke und das offene Land zu, schnaufte in der kalten Luft mit rot geäderten Nüstern und stellte die Ohren auf, als es über die Brücke trappelte und dann zu den Hügeln trabte.
    Die Sonne stieg höher und überschritt den Mittag. Andreij wickelte sich den Schal ums Gesicht, um seinen Atem zu wärmen, und versäumte es, die Augenschirme aufzusetzen, denn der Himmel war immer noch dunstig, und der Schnee lag überall weiß und dick. Er sah nur wenige Spuren, keine Verheißung einer guten Jagd; der Schnee lag noch nicht lange genug, um die wilden Tiere verzweifelt und leichtsinnig zu machen – und der Tag war auch nicht warm genug, sie in die Versuchung zu führen, ihre warmen Unterschlüpfe zu verlassen. Er hätte noch einen Tag warten sollen, aber der Gedanke an den dunklen Dachboden und das Sitzen am Feuer, ohne etwas zu tun zu haben, bedrückte ihn. In Untätigkeit hatte er nur üble Erinnerungen an Gesellschaft. Er war hinausgeritten, um ihnen zu trotzen, über sie zu lachen, zu jagen und diesmal zu gewinnen.
    Er hatte Angst. Er hatte noch nie zuvor etwas Derartiges empfunden. Sogar im hellen, klaren Tageslicht spürte er das, was er auch bei jenem Ritt zu den Toren gespürt hatte mit dem Gebell der Wölfe im Rücken. Er fürchtete die Angst, denn die Jagd sicherte seinen Lebensunterhalt, und wenn er zuviel Angst bekam, konnte er die Stadtmauern nicht mehr verlassen.
    Er richtete sich in den Steigbügeln auf und blickte zurück, setzte sich dann wieder und ritt weiter. Die hölzernen Stadtmauern waren schon lange außer Sicht; schneebedeckte Hügel und verschneite Felder erstreckten sich in allen Richtungen außer dem Süden, wo der Wald unter einer dicken Schneeschicht lag, weiß und eisig. Kein Geräusch war zu hören, außer Umniks regelmäßigen Bewegungen, dem Knarren des Geschirrs, dem Schnauben des Atems.
    Umnik ging jetzt

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