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Die letzten Städte der Erde

Die letzten Städte der Erde

Titel: Die letzten Städte der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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langsamer, nachdem er seinen ersten Atem erschöpft hatte, watete fast knietief über den Pfad. Und der weiße Schnee brachte eine solche Schönheit zum Ausdruck, daß Andreijs Furcht nachließ. Er hielt das Pferd an und sah sich in allen Richtungen um, hörte ein rasches, hundeartiges Keuchen im Rücken.
    Er fuhr herum, riß heftig an den Zügeln, und Umnik scheute auf der tiefen Verwehung, stieg auf die Hinterhand und stürzte beinahe.
    Da war nichts. Andreij beruhigte das Pferd und tätschelte es. Nichts war da. Das Licht wurde heller; die Wolken teilten sich. Er griff nach den Augenschirmen, als der Schnee das Sonnengleißen sammelte, trübes Gold und Rosa und Bernstein. Umnik stand reglos und Andreij hielt inne, die Augenschirme in der Hand... empfand die Faszination dieses Lichtes – denn Licht hatte den Wolf verborgen. Er blickte zu den fernen Hügeln – und zum Himmel hinauf, in die Sonne. Er hatte nie in seinem Leben aufgeblickt, abgesehen von einem verstohlenen Blick, um den Zustand des Himmels auszumachen, aber nicht, um ihn zu sehen. Der Anblick drang ihm schlagartig bis ins Herz. Und er blickte nach Norden. Der Wolf stand dort wachsam oben auf einer frischen Verwehung, und seine Augen waren wie die Sonne, sein Fell überzogen von ineinander übergehenden Farben.
    Andreij peitschte Umnik und ritt los; er erinnerte sich nicht mehr an den Beginn der Flucht, aber er und Umnik stürmten in Panik über den Schnee, und der weiße Wolf war nie weit hinter ihnen.
    Schließlich lag die Stadt vor ihnen, und er nahm das Horn vom Gürtel und blies hinein, aber der Klang wirkte matt. Umnik schwankte, und er peitschte das Pony, trieb es weiter, den Weg zur Stadt hinauf, über die hölzerne Brücke zum südlichen Tor, während weiße Gestalten rings um ihn herum hochsprangen und hechteten und Stimmen heulten, fern und leise, als habe sein Gehör nachgelassen, und die ganze Welt war von Kälte umstellt. Umnik wurde langsamer, als es auf die sich öffnenden Tore zuging, aber er peitschte das Pony heftiger und ritt auf die Straßen, wo Umniks Hufe ausrutschten, und überraschte Bürger und Kinder, die hastig einen Schlitten aus dem Weg des Pferdes zogen. Er hielt an und sah sich um, und die Tore schlossen sich langsam. »Die Wölfe!« schrie er, aber Pjotr und der andere Torwächter starrten ihn seltsam an, während sie sich gegen die Torflügel stemmten.
    Nichts war dort gewesen. Die Wölfe befanden sich in seinen Augen, in seinem Kopf. Er wußte es plötzlich, und die Kälte in seinem Herzen wurde tiefer.
    »Alles in Ordnung mit dir, Andreij?« fragte Pjotr.
    Er nickte, kalt und beschämt durch den Tod, den er für sich sah. Er griff unbestimmt nach den Zügeln Umniks, erinnerte sich daran, wie er das Pony geschlagen hatte, und tätschelte ihm den Nacken, während er es die Straße hinablenkte. Umnik schüttelte sich, ging langsam und mit hängendem Kopf, als sei vielleicht ein Teil der Kälte auch in sein Herz gelangt, als sei er mit Schlägen dort hineingetrieben worden.
    Andreij ritt nicht nach Hause. Er wandte sich zum Haus Mischas, des alten Jägers, das sich klein und mit Geweihstangen geziert, nicht so farbenfroh wie die anderen, zwischen die Marktställe und die öffentlichen Bäder kauerte. Viel Schnee lag dort und vergrub es auf einer Seite fast bis zu den Dachvorsprüngen. Der Steinkopf eines vergessenen Helden ragte dort auf, starrte mit nur der leichtesten Andeutung von Gesichtszügen aus dem Schnee hervor. Andreij stieg zur Veranda hinauf und band Umnik an deren Geländer, stampfte seine Stiefel ab und öffnete die erste Tür, ging durch die Diele und klopfte an die zweite Tür.
    Keine Antwort erfolgte, auch kein Verbot. »Mischa!« rief er. »Hier ist Andreij Gorodin!« Er trat ein, verging bereits beinahe in der Wärme, die innen herrschte, wo es nach kochenden Ölen duftete, nach verbranntem Fett und getrockneten Kräutern. So war Mischas Haus, und überall hingen auch Geweihe und Federn und ein Durcheinander von allen möglichen Einzelheiten. Und ein Haufen Decken vor dem Feuer, das war Mischa selbst, ein runzeliges Gesicht und dunkle schmale Augen und ein Strang ergrauter Haare, der unter der Kapuze hervorhing. In einer Hand hielt er ein Bündel Kräuter, die er schon teilweise in eine Untertasse gekrümelt hatte; eine linke Hand war nicht vorhanden: die hatte sich ein Wolf geholt, als Mischa noch selbst auf die Jagd gegangen war – aber das war zu Zeiten vor Andreijs Geburt gewesen. Andreij kauerte

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