Die letzten Städte der Erde
sind alt«, sagte Yilan. »Sehr alt, Boga. Ich kenne dich.«
Der Blick wurde furchtsam. Vielleicht hätte sich Yilan nun seinerseits fürchten sollen, aber statt dessen lächelte er Boga an und sah dessen Furcht wachsen, die Gewißheit Bogas, daß er ihn in der Tat kannte, und daß die Dinge, die Boga mit anderen an fernen Stellen der Kolonne flüsternd austauschte, gehört wurden.
Sie ritten Seite an Seite, er und sein Mörder, während Shimshek und ein großer Teil der Vorhut davonritten, um die Kräfte zu vernichten, die die Stadt ihnen vielleicht entgegenschickte, die unmöglich standhalten konnten gegen die Macht aller Stämme von der Ebene der Welt.
Yilans Augen verströmten Tränen, diesmal nicht vom Wind erzeugt. Er hegte eine selbstsüchtige Hoffnung, daß es ihm vielleicht vergönnt war, die Stadt zu erblicken, bevor er starb. Er sprach nicht mit derartigen Worten darüber, bei weitem nicht. Er gestand gegenüber Boga und seinem Haufen keinerlei Schwäche ein. Tatsächlich wußte er, daß er durch die Herausforderung Bogas gerade den Zeitpunkt seines Todes beschleunigt hatte. Vielleicht hätte er es nicht tun sollen, aber sein ganzes Leben lang hatte er den Befehl geführt, und er würde es keinem anderen erlauben, die Wahl für ihn zu treffen. Dann also heute nacht, wahrscheinlich heute nacht. Boga war dabei, zu überlegen und zu planen, und sobald sich Boga seiner Sache sicher war, würde er zuschlagen.
Er dachte an Gunesh, die ihm im Wagen folgte, und der Gedanke an sie erfüllte ihn mit seinem einzigen Schmerz. Gunesh liebte ihn; Shimshek tat es; und sie waren die ganze Welt. Ein Baby wuchs in Guneshs Leib heran – nicht sein Sohn, sondern der Shimsheks. Er wußte es. Natürlich wußte er es. Seine Gesundheit erlaubte keine andere Antwort. Daß sogar Shimshek und Gunesh ihn in dieser Hinsicht betrogen, spielte keine Rolle, denn sie waren die beiden Menschen, die er am meisten liebte, und er konnte ihr nichts Besseres wünschen, als sie in diesem jungen Mann hatte, oder dieser in ihr, oder er, Yilan, in ihnen beiden. Sex war für ihn nie eine Frage des Stolzes gewesen. Zu keiner Zeit, seit seiner Jugend nicht. Er hatte das alles mitgemacht, sich auch an derben Witzen erfreut – aber dieser Bereich seiner Instinkte war seiner eigentlichen Besessenheit untergeordnet: nicht Macht, genaugenommen nicht – in Wirklichkeit langweilte ihn Macht –, vielleicht Hunger, aber er wollte ihn nicht gestillt haben. Sie war auch nicht vage oder gestaltlos. Er kannte sich – ah... sehr gut sogar –, und er liebte sie, wurde sogar getroffen durch den Schmerz, den er verursachte, aber er fuhr fort, ihn zu verursachen.
Er hatte sogar weiteres vorbereitet, als er Shimshek in die Position des Befehles über Boga manövriert hatte. Aber das war richtig so. Shimshek hatte jetzt seine Truppen, Stämme zuhauf... und es wäre eine Katastrophe für die anderen, Shimshek und die zurückkehrenden Truppen mit der Leiche eines ermordeten Yilan Baba zu konfrontieren. Ah, nein. Das würden sie nur machen, wenn es nicht anders ging.
Er lächelte in sich hinein und starrte in den Staub, während der Wind kalt seine Wangen streichelte und er spürte, wie Bogas Knie sich an seinem rieb, während die Ponies nebeneinander hergingen, und die Standarte der erobernden Horden vorausgetragen wurde, das Banner der sterbenden Sonne.
Er regierte immer noch, bestimmte sogar den Zeitpunkt, an dem sie ihn töten konnten. Darin hatte schon immer seine Macht bestanden, daß er jede ihm genehme Wahl traf und den Rest riskierte.
Und als sie das Lager aufschlugen, war die Stadt in ihr Blickfeld getreten. Ein Schrei stieg von der Marschkolonne auf, die sich so weit erstreckte, wie der Verstand es nur begreifen konnte. Ah, ächzten die Stämme. Ah, sagten die Frauen und Kinder, und es war wie das Seufzen des legendären Ozeans und das Rauschen des Windes, wie das Krachen von Donner. Ah. Die Stadt schimmerte wie ein Trugbild, ihre Dächer leuchteten vor Gold und Schönheit im Licht, und Staub verschleierte sie, dort, wo Shimshek und die anderen waren, wo die Schlacht tobte. Yilan zweifelte nicht an ihrem Ausgang; hätten diese Kräfte nicht ausgereicht, hätte er auch mehr schicken können. Sie konnten sogar die Stadt allein mit den Wagen der Frauen und Kinder niederwalzen, indem sie einfach weiterzogen.
Er weinte, was er ständig tat, aber in diesem Augenblick besaß es Bedeutung; und tatsächlich weinten viele der Krieger und winkten mit ihren
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