Die letzten Tage
der Firmenzentrale von Husegan Verteidigung kopiert hatte, ging alles andere als schnell, aber sie hatte die Gelegenheit genutzt, um den seit Tagen fälligen Schlaf nachzuholen. Da ihre Computer noch immer mit der Auswertung beschäftigt waren, nutzte sie die Zeit, um nach Meldungen über ihr Werk der letzten Nacht zu suchen, aber es gab nichts.
Nicht einmal das Militär war informiert worden, sonst hätte sie Meldungen über den Geheimdienst bekommen. Das steigerte ihr Interesse an den erbeuteten Daten der letzten Nacht. Als militärischer Zulieferer war Husegan Verteidigung verpflichtet jede noch so kleine Kompromittierung ihrer Sicherheit zu melden. In der Vergangenheit hatten sie regelmäßig Bericht erstattet, wenn etwas vorgefallen war. Warum diesmal nicht? Was war in den Daten, die sie gestohlen hatte? Und was hatte all das mit der Lebensmittelhortung zu tun, die hier betrieben worden war?
Die Lebensmittel waren durch die Verwicklungen mit der
Hagner
in Vergessenheit geraten, da sie im Vergleich unwichtig erschienen waren. Aber waren sie das wirklich? Nach allem, was sie die letzten Tage erfahren hatte, geschah nichts im Umkreis von Matursi und Husegan aus reinem Zufall. Die beiden hatten einen größeren Plan. Und sie hoffte, dass Querverweise zwischen den Daten der beiden ihr weiterhelfen würden.
Hätte Matursi noch ein Büro im Rateri-System wäre sie als Nächstes bei ihm eingebrochen, aber Matursi Metalle war vernichtet. Bereits Matursis Vater hatte sämtliche Fabriken und Büros aus dem Rateri-System abgezogen und hier nur noch seinen Altersruhesitz genossen. Harald Matursi hatte die Firma dann von hier geleitet und in den letzten Jahren auf Warenhandel umgesattelt. Es gab nichts, wo sie hätte einbrechen können.
Der Vorteil war, dass sie davon ausgehen konnte, dass sie alle Daten von Matursi hatte. Und was sie nicht hatte, konnte sie relativ einfach aus ihm durch Folter herausholen. Er hatte sich ihrem Verhör gegenüber bisher glücklicherweise nicht gerade als Widerstandsfähig erwiesen.
Aber sie hatte noch immer das Gefühl, dass Husegan der Schlüssel war, nicht Matursi. Und Husegan war deutlich schwerer zu knacken. Am Ende ihres Dauerverhörs am Tag zuvor hatte sie bereits gemerkt, wie sein Widerstand wieder stärker wurde. Sie konnte ihn vielleicht noch drei oder vier Mal aus der Narkose holen, bevor sie nichts mehr aus ihm heraus bekam. Das hieß, sie musste exakt wissen, was sie ihn noch fragen wollte. Herumstochern kam nicht in Frage.
Und ihre Computer waren immer noch dabei die neuen Daten zu verarbeiten. Sie zu kopieren war deutlich schneller gegangen.
Ihr Magen grummelte und erinnerte sie daran, dass sie schon viel zu lange nichts mehr gegessen hatte. Sie stellte sicher, dass das Anästhetikum, das sie ihren beiden Gefangenen verabreichte noch immer in ausreichenden Mengen vorhanden war und ging zu dem Café, das sie drei Tage zuvor kennengelernt hatte, um zu frühstücken.
Neu Berlin – Rateri II
Ranai lehnt sich entspannt in ihrem Stuhl zurück und genoss die Morgensonne, das verzehrte Frühstück löste ein wohliges sattes Gefühl in ihrem Magen aus. Seit Tagen war sie kaum noch draußen gewesen oder hatte sich entspannt. Auch jetzt hatte sie nicht viel Zeit, aber sie beschloss, dass sie eine halbe Stunde erübrigen konnte. Das einzige, was sie davon abhielt sich vollständig zu entspannen, war die Perücke auf ihrem Kopf. Aber sie abzusetzen kam nicht in Frage. Sie war an einem Ort, den die Matursis theoretisch kennen könnten, wenn sie die Verbindung zwischen dem Angriff auf ihre Villa und ihr zogen. Um die Perücke abnehmen zu können, musste sie woanders hingehen.
Also bezahlte sie ihre Rechnung und machte sich auf den Weg zu einem der öffentlichen Sprungtore in der Nähe, während sie vor ihrem geistigen Auge, ganz ohne die Hilfe ihrer Implantate, nach einem Ort suchte, an dem sie sich entspannen konnte und der von den Unruhen im Rateri Protektorat bisher verschont geblieben war.
Sie entschied sich für den Jägersee auf Rateri I. Er befand sich auf einem Kontinent, der größtenteils unbewohnt war. Augenblicklich ging dort gerade der Frühling in den Sommer über. Also perfekte Wetterbedingungen, um einfach abzuschalten und schwimmen zu gehen.
Am Sprungtor angekommen gab sie einen Verschlüsselungscode ein, so dass jeder, der versuchen würde ihr zu folgen, einen falschen Zielort erhalten würde. Dann trat sie durch das Tor und sprang.
Jägersee
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