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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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dem Großen Khan. Der Khan ruft dann zwölf Kundige zu sich, die eigens für diese Aufgabe ausgewählt wurden und sich auf diesem Gebiet gut auskennen, und bittet sie, die Waren der Händler zu prüfen und ihnen den Preis dafür zu zahlen, den sie für richtig halten.
    Der Italiener war also alles andere als romantisch gewesen; es handelte sich eher um einen Vorläufer des Buchtyps »Handel mit China«. Chan bezahlte den Band und rief von dem Buchladen aus im Büro an. Eigentlich wollte er mit Aston sprechen, erwischte aber Riley. Er gab die Anweisungen, die für Aston bestimmt waren, Riley durch. Der Chief Superintendent schien erfreut darüber, ihm einen Gefallen tun zu können.
    Als Chan am späten Nachmittag ins Revier zurückkehrte, wartete Riley bereits in dem kleinen Raum mit der Aufschrift Chief Inspector Chan: Kriminalpolizei. Zutritt verboten. Chan hatte den Eindruck, daß er so viel Abstand wie möglich zu dem großen Industriefleischwolf halten wollte, der in der Mitte des Raums auf einem Tisch thronte. Chan sah die beiden Kühlboxen, eine groß, die andere mittelgroß, an, zu denen Riley ebenfalls Distanz hielt.
    »Im Leichenschauhaus hatten sie nichts Passendes da, also habe ich die aus der Portokasse zahlen müssen. Der Preis war höher, als ich über Spesen abrechnen kann, aber weil niemand da war, den ich hätte fragen können, habe ich es einfach gemacht. Ich hab’ zehn Prozent Rabatt auf die beiden Boxen bekommen.«
    Chan brummte etwas.
    »Würden Sie bitte bei Gelegenheit das Formular gegenzeichnen?«
    Wieder brummte Chan zustimmend. Seit den großen Polizeiskandalen der siebziger Jahre und der Gründung der ICAC redeten die hohen Polizeibeamten wie Kassiererinnen im Supermarkt.
    »Aber sicher. Das haben Sie gut gemacht.«
    Riley versuchte es zuerst mit einem Strahlen, runzelte dann aber doch die Stirn. »Scheußlich, die Sache. Na ja, das macht mir nichts aus, schließlich habe ich schon ziemlich viele scheußliche Sachen in meinem Leben gesehen. Für Sie ist das hier wohl Routine?«
    Chan hob die größere der beiden Boxen hoch und stellte sie neben den Fleischwolf auf den Tisch. »Sie sollten sich mal meinen Kühlschrank anschauen.«
    Dann machte er die Box auf. Zwei frostige Chinesenköpfe lagen, verstümmeltes Gesicht an verstümmeltem Gesicht, auf einem dunstigen Bett aus Trockeneis. Weißer Rauch stieg aus der Box auf wie eine Schlange und wand sich um den Fleischwolf. Chan hob einen der Köpfe mit beiden Händen heraus und verschloß die Box wieder.
    Der Trichter des Fleischwolfes befand sich nur wenige Zentimeter entfernt.
    »Würden Sie mir behilflich sein?« fragte Chan.
    Riley holte einen Stuhl.
    »Und noch einen bitte – ich möchte, daß Sie auch reinschauen.«
    Riley und Chan stellten sich auf die beiden Stühle und schauten in den Trichter. Abgesehen von ein paar angeschlagenen Kanten, einigen Seetangsträhnen und einem Geruch nach Austern deutete nichts auf den Aufenthalt des Geräts auf dem Meeresboden hin. Chan betrachtete den Trichter, der sich zu einer großen Schraube hin verjüngte, die das Fleisch hereinzog und es gegen die beiden Klingen darunter drückte. Chan hielt den Kopf an den eisigen Haaren fest. Jekyll – oder war’s Hyde? – hatte durch seinen Aufenthalt im Leichenschauhaus ein wenig an Farbe verloren. Die Augen waren glasig, die Wangen grau wie Stein.
    Riley war nervös, und das machte ihn geschwätzig. »Schaut aus, als ob er grinst. Liegt wahrscheinlich daran, daß sie ihm die Lippen abgeschnitten haben. Ganz schön übel. Wissen Sie, ich glaube einfach nicht … ich meine …«
    »Sie glauben nicht, daß ein Weißer so etwas tun würde?«
    »Ja – ich meine nein. Natürlich meine ich das nicht.«
    Natürlich nicht. »Stellen Sie sich doch bitte mal eine Nase vor. Wie weit würde die vorstehen? Ich meine eine kleine Chinesennase, nicht einen großen Westlerzinken. Und jetzt fügen Sie noch ungefähr einen Zentimeter für die Ohren dazu. Schauen Sie zu.«
    Chan senkte den Kopf in den Trichter. Er ließ sich ohne Probleme bis zu der Schraube im Mahlwerk einführen.
    »Selbst wenn man noch auf jeder Seite einen Zentimeter für die Ohren und zwei Zentimeter für die Nase zugibt, könnte man ihn zerhäckseln – was meinen Sie? Riley?«
    Chan ließ den Kopf im Fleischwolf stecken, rannte auf die andere Seite des Tisches und fing den wankenden Chief Superintendent gerade noch auf.
    »Ganz ruhig, Sir.« Chan setzte ihn auf einen Stuhl und schüttelte ihn. Riley

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