Die letzten Tage von Hongkong
verzog das Gesicht. »Schade.«
»Es gibt zwölf Kabinen. Jonathan und ich haben uns schon eine ausgesucht, und Emily wird natürlich in der schönsten residieren. Also bleiben noch zehn für dich übrig.«
»Sonst fährt niemand mit?«
Jenny zögerte. »Es wird schon noch der eine oder andere kommen – du weißt ja, wie diese Geschäftsleute sind, die schleifen immer im letzten Augenblick noch jemanden mit, der schrecklich wichtig ist. Aber du bist so früh dran, da kannst du dir deine Unterkunft noch aussuchen.«
Er folgte Jenny unter Deck in einen schmalen, mit poliertem Teakholz getäfelten Flur. Sie wandte sich Chan mit einem Grinsen zu.
»Möchtest du die Luxuskabine sehen?«
»Klar.«
Am anderen Ende des Flurs befand sich eine massive, gebogene Teakholztür; dahinter verbargen sich ein großes Bett mit roten Laken, ein getöntes Panoramafenster, glänzende Einbauschränke aus Teakholz, ein roter chinesischer Teppich mit dem goldenen Symbol für doppeltes Glück in der Mitte, ein Schreibtisch mit Messingbeschlägen und eine aufgeschraubte Messinglampe. In einer glänzenden Bambus-Glasvitrine war ein Dutzend Opiumpfeifen ausgestellt, wie sie bei Sammlern so beliebt sind. Einem weißen Lederdreisitzer gegenüber stand eine Fernseh-Video-Stereo-Laserdisc-Kombination. Chan nahm die Fernbedienung in die Hand und drückte auf einen Knopf. Eine Cantopop-Nummer hallte laut von den Wänden wider. Er schaltete aus.
»Wow.«
»Das ist noch gar nichts. Warte mal, bis du die Kommandobrücke siehst. Ich habe natürlich keine Ahnung davon, aber alle schwärmen immer, wie toll diese Brücke sei.«
Chan sah, daß Jenny und Jonathan sich eine Kabine in unmittelbarer Nähe von Emily ausgesucht hatten. Chan entschied sich für eine Unterkunft, die drei Türen von der Luxuskabine entfernt lag. Zwar war sie nur ein Drittel so groß wie die Emilys, aber ihm gefiel der CD-Player mit einer Sammlung von CDs, die das ganze Spektrum von Pavarotti bis Queen abdeckte. Dazu kamen eine winzige Toilette mit Dusche, ein weißer Bademantel und das Ölgemälde eines Sampan über dem Bett. Als Chan durch das Bullauge schaute, sah er, daß sich das Wasser nur etwa einen halben Meter unter ihm befand.
Jenny ging voran. Er staunte, wie schnell sie sich an das Leben im Reichtum angepaßt hatte: Dieses Millionenschiff hätte ihr gehören können.
Auf der Brücke wurde der dicke rote Teppich ungefähr fünf Zentimeter über dem Boden von Chromhaken festgehalten. Zwei Drehstühle aus Edelstahl mit schwarzem Lederpolster und Chromstützen blickten auf ein ganzes Arsenal von Computerbildschirmen. Ein glänzendes Stahlrad mit dicken Speichen und poliertem Teakholzbelag beherrschte das Ruderhaus.
»Mein Gott, hier gibt’s ja sogar eine Vorrichtung zum Orten von Fischen«, sagte Chan.
»Manchmal hat Emily Gäste, die gern Hochseefischen gehen.«
»Ja? Wer zum Beispiel?«
Jenny sah ihn an. »Was meinst du? Niemand liebt den offen zur Schau gestellten Reichtum mehr als kommunistische Kader. Aber reden wir jetzt nicht darüber. Jonathan und ich haben einen Kompromiß gefunden. Ich habe ihm versprochen, seine Freunde nicht mehr vor den Kopf zu stoßen, wenn wir dafür nicht mehr so oft mit ihnen zusammen sind.« Sie drohte Chan spielerisch mit dem Finger. »Also fang hier nicht an, Fragen zu stellen und alle nervös zu machen.«
Chan setzte sich auf den Kapitänsstuhl. »Mach’ ich nicht, wenn ich ein bißchen hier drin rumspielen darf. Eine Frage noch, Schwester: Warum bin ich eingeladen?«
Jenny drückte stirnrunzelnd den Gashebel herunter wie ein Spielzeuginstrument. »Erstens wollte ich dich einladen. Abgesehen von den zehn Minuten auf der Party hab’ ich dich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, und wenn das Baby da ist, habe ich wahrscheinlich nicht mehr viel Zeit für andere Sachen – das sagen zumindest alle. Emily hat Jonathan eigens gebeten, jemanden mitzubringen, der nichts mit seiner Arbeit zu tun hat. Sie hat sich noch von der Party an dich erinnert.«
»Ich bin der, der die bizarren Morde aufklärt. Ich würde wetten, daß sie entzückt ist über deine Entscheidung, mich einzuladen.«
»Sie wollte selber, daß du kommst. Vielleicht hast du einen Stein bei ihr im Brett.«
»Du meinst, sie will mich bumsen?«
Chan duckte sich, allerdings nicht schnell genug, um ihrem Ellbogen zu entgehen. Bei solchen Kämpfen war sie immer schneller gewesen als er. »Stell dein Licht nicht unter den Scheffel, du ungehobelter Bulle.
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